Aus der Robotik in Die General Industry

Zitat1: "In der aufstrebenden Robotik ließen sich Probleme mit Zykloidgetrieben ausgezeichnet lösen. So kam unsere Erfolgsstory ins Rollen." Marcus Löw, Nabtesco
Zitat1: "In der aufstrebenden Robotik ließen sich Probleme mit Zykloidgetrieben ausgezeichnet lösen. So kam unsere Erfolgsstory ins Rollen." Marcus Löw, Nabtesco

In diesem Jahr feiert Nabtesco in Europa 30-jähriges Bestehen. Wie kam das japanische Unternehmen überhaupt dazu, eine Niederlassung in Düsseldorf zu gründen, Herr Löw?

Marcus Löw: Das ist recht einfach: Nachdem Nabtesco damals bereits alle japanischen Roboterhersteller zu seinen Kunden zählen konnte, wurde die Perspektive erweitert. Man ist also 1992 nach Europa gegangen, um europäische Kunden aus der Robotik besser betreuen zu können. Die hohe Kompetenz in diesem Bereich bildete das Fundament dafür. Düsseldorf als Standort war aufgrund der großen japanischen Gemeinde natürlich naheliegend.

Nabtesco positioniert sich als führender Ausstatter der Roboterbauer – in Europa genauso wie im Heimatmarkt Asien. Woher kam die dafür nötige Expertise ursprünglich?

Löw: Die hat sich aus dem Baumaschinengeschäft von Nabtesco entwickelt. In Fahrantrieben kamen schon lange Zykloidgetriebe in Verbindung mit einem Hydraulikmotor zum Einsatz. Und weil dieser Markt in Japan irgendwann eine recht hohe Sättigung erreicht hatte, wurde nach weiteren Einsatzgebieten für diese Getriebeart gesucht. Das aufstrebende Marktsegment Robotik kam da gerade recht. Dort ließen sich mit dem Einsatz von Zykloidgetrieben einige Probleme ausgezeichnet lösen. So kam unsere Erfolgsstory in der Robotik schnell ins Rollen – erst in Japan und später auch in Europa.

Alles drehte sich also nur um die Robotik?

Löw: In diesem Unternehmensbereich ja. Das Geschäft versprach hohe Umsatzvolumen. Leider war auch die Abhängigkeit von der Automobilindustrie groß. In den 2000er-Jahren, als man längst alle Roboterhersteller bediente, wurde deshalb damit begonnen, auch außerhalb Neukunden zu akquirieren. So wollte man ein zweites Standbein aufbauen. Als ich im Jahr 2010 zu Nabtesco kam, lautete das strategische Ziel: In der allgemeinen Industrie besser Fuß fassen! Dem entsprechend wurden die internen Strukturen angepasst und auch das Portfolio neu ausgerichtet.

Was heißt das genau?

Löw: Integrierte Getriebelösungen waren für die Robotik genau das, was man brauchte. Kunden in der General Industry wollten hingegen eher geschlossene Getriebe, die sich einfach und direkt verbauen lassen. Erste Adaptionen wurden noch im Keller der damaligen Niederlassung realisiert. Dort waren die Möglichkeiten aber so limitiert, dass der Standort 2014 in Düsseldorf verlegt wurde. Ab da stand nicht nur mehr Platz zur Verfügung. Der strategischen Ausrichtung folgend wurden auch neue Abteilungen wie Lager, Montage oder Einkauf ins Leben gerufen. Zudem erhielt die Entwicklung einen ganz neuen Stellenwert.

Und damit auch die lokale Wertschöpfung?

Löw: Richtig. Und zwar soweit, dass 2020 mit der Neco-Serie erstmals Getriebe auf den Markt kamen, die wir zu einem großen Teil in Europa entwickelt haben. Die Basis bilden zwar Getriebe aus Japan, aber es wurden alle Aufbauten und Anbauteile modularisiert. Auf diese Weise erhalten Kunden auch abseits der Robotik passgenaue Lösungen. Das kommt gut an. Die Stückzahlen steigen kontinuierlich, obwohl der Markteintritt noch nicht lange her ist. Die Neco-Serie hat zudem großes Interesse in Japan geweckt, so dass sie sich vermutlich zu einem globalen Produkt von Nabtesco entwickeln wird.

Welche industriellen Anwendungsgebiete abseits der Robotik passen denn gut für Zykloidgetriebe?

Löw: Parallel zur Robotik adressieren wir schon seit längerer Zeit den Werkzeugmaschinenbereich. Weitere spannende Felder finden sich überall dort, wo es um hohe Präzision und Positioniergenauigkeit geht – vom Handling bis zur Intralogistik, von der Lebensmittelindustrie bis zur Medizintechnik. All diese, traditionellen Industriebereiche adressieren wir heute mit unserem Portfolio. Darüber hinaus gibt es mit Blick auf den technologischen Wandel viele neue Anknüpfungspunkte, etwa bei Elektrifizierung, Mobilität oder Nachhaltigkeit. An dieser Stelle schließt sich für uns ein Kreis, denn mit Arbeitsmaschinen und Nutzfahrzeugen kennt sich Nabtesco wie erwähnt seit vielen Jahrzehnten aus.

Welchen Anteil hält denn das klassische Robotiksegment noch bei Nabtesco?

Löw: Der Robotikanteil ist nach wie vor signifikant – schließlich beliefern wir alle etablierten Roboterhersteller. Nabtesco produziert momentan über 1.000.000 Getriebe pro Jahr. Und die liefern wir zu einem Großteil in die Robotik. Durch das neue Werk in Japan wird sich die Kapazität nochmals deutlich erhöhen; laut Plan sogar verdoppeln. Und das ist auch gut so. Denn andere Branchen wie die Handhabungstechnik wachsen kräftig. Das Verhältnis verändert sich also kontinuierlich.

Wie interessant sind denn Einsatzfälle, in denen bisher eher Planetengetriebe eingesetzt wurden?

Löw: Wir sprechen immer mehr Applikationen an, die bisher über Planetengetriebe abgedeckt wurden. Im Gegenzug haben sich aber auch die Planetengetriebe in verschiedene Präzisionsbereiche vorgewagt. Jede Lösung hat ihre Vor- und Nachteile. So ist stets zu prüfen, was das für die speziellen Anforderungen einer Anwendungen bedeutet. Insgesamt erleben wir in der Getriebetechnik eine technologische Weiterentwicklung zu mehr Präzision – die uns durchaus in die Karten spielt. Aber es reicht ja nicht, dass man ein gutes Produkt für viele Anwendungen hat. Man muss auch liefern können. Das ist ebenfalls ein zentraler Grund für die erhöhte Produktionskapazität. Wir wollen uns schließlich in keiner Branche die Frage stellen müssen, ob wir sie ausreichend bedienen können.

Was heißt das mit Blick auf die Eigenschaften? Schrauben Sie an der Präzision zugunsten der Wirtschaftlichkeit, um neue Märkte und Anwendungen zu bedienen?

Löw: Fest steht: Die Lösung muss für unsere Kunden immer wirtschaftlich sein. Sonst kauft er sie nicht. Wir versuchen vor allem, den Einstieg in die Technologie und deren Anwendung leichter zu machen. Die Frage lautet also: Wie muss das Produkt aussehen, damit es möglichst anwenderfreundlich ist? Wir wollen nicht mehr nur eine Speziallösung für eine Spezialbranche anbieten, wie es in der Robotik der Fall ist. Stattdessen wollen wir das Zykloidgetriebe mehr zu einem Produkt von der Stange formen. Ein gutes Beispiel an dieser Stelle ist wieder unsere neue Neco-Getriebeserie. Es gibt sie natürlich in verschiedenen Bauformen und Varianten – schließlich muss sie ja in die Anwendung passen. Aber wir folgen hier einem konsistenten und modularen Ansatz, den wir kontinuierlich ausbauen. Neue Varianten von Neco werden auf der Automatica zu sehen sein.

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung sollen auch mechanische Antriebskomponenten smart werden. Sehen Sie das auch so?

Löw: Wir beschäftigen uns stark damit, unsere Produkte intelligenter zu machen. Dazu werden wir auf der Automatica ebenfalls auch eine spannende Neuheit präsentieren. Der Clou ist, dass man Komponenten dafür oft nicht groß ändern muss. Stattdessen wird der Weg angepasst, wie man Informationen über deren Zustand erhält. Die kann man dann im Sinne von Condition Monitoring nutzen, um im Produktionsprozess direkt zu reagieren. Ein Schritt vorausgedacht – Stichwort Predictive Maintenance – lassen sich daraus Ereignisse sogar schon ableiten, bevor sie eintreten. Doch dazu muss man aber erst einmal lernen, die Daten richtig zu lesen bzw. zu interpretieren. Hier passiert bei uns gerade einiges.

Welche weiteren Effekte der Digitalisierung beeinflussen Ihr Unternehmen?

Löw: Wir beschäftigen uns mit vielen unterschiedlichen Facetten der Digitalisierung. Wie alle anderen Unternehmen auch, sind natürlich unsere internen Prozesse von neuen digitalen Lösungen geprägt. Produktseitig gibt es für mich zwei wichtige Fragen. Zum einen: Wie schaffe ich es, mein Produkt smarter zu machen? Darüber haben wir gerade schon gesprochen. Auch die Integration entsprechender Sensorik bietet interessante Optionen. Zum anderen: Welche digitalen Infos um mein Produkt herum gibt es schon, die dem Anwender in seinen Prozessen weiterhelfen könnten? Viele Daten werden heute noch gar nicht genutzt. Unter dem Aspekt der Monetarisierung bieten sie aber großes Potenzial. Hier gilt es sicherlich, noch etwas vorauszuschauen. Aber man sollte sich schon jetzt Gedanken über entsprechende Mehrwerte abseits der Hardware machen, die man dem Anwender zukünftig anbieten kann – im Zweifel gemeinsam mit Partnern.

Wenn wir beim Thema Vorausschauen sind: Wie geht es weiter bei Nabtesco in Europa?

Löw: Obwohl die Produktion unserer Getriebe bis auf weiteres in Asien stattfindet, ist Europa aus Sicht des Konzerns sehr wichtig: In erster Linie die Maschinenbaunationen Deutschland und Italien. Aber in fast allen europäischen Ländern gibt es sehr interessante Marktsegmente, von Dänemark bis in die Türkei. Entsprechend bleibt das Ziel, weitere Marktanteile zu gewinnen. Produktseitig liegt der Fokus wie bereits besprochen vorerst darauf, die Getriebe smarter und einfacher in der Anwendung zu machen. Mittelfristig wollen wir aber auch Produkte für ganz neue Anwendungsbereiche entwickeln – sowohl aus Komponenten- als auch aus Systemsicht. Dafür wird das Knowhow und die Expertise aus den verschiedenen Unternehmenseinheiten von Nabtesco zunehmend gebündelt. Das Ziel sind gemeinsam umgesetzte Projekte, aus denen sich dann wiederum Serienprodukte ableiten lassen. Und last but not least: Wie es tatsächlich langfristig weitergeht? Der Blick in die Kristallkugel ist angesichts der jüngsten Krisen – sei es Corona, unterbrochene Lieferketten oder der Krieg in der Ukraine – definitiv nicht einfacher geworden. Gefragt sind in jedem Fall die nötige Portion Resilienz und Flexibilität, um auf solche Ereignisse passend und schnell zu reagieren.

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