Multisite-Rollout von MES/MOM-Lösungen

Reifegradmodell mit aktuellen bzw. zukünftigen funktionalen Anforderungen
Reifegradmodell mit aktuellen bzw. zukünftigen funktionalen Anforderungen
Bild: ATS Gesellschaft für angewandte technische Systeme mbH

Bei Reviews zur Strategieentwicklung globaler Digitalisierungsprogramme stoßen vor allem Unternehmen mit mehreren Geschäftsbereichen, Herstellprozessen und Prozesskategorien auf folgendes Szenario: Das Programm scheint im Stillstand, insbesondere auf MES-Level 3. Obwohl IT und Management forcieren, die erforderliche Organisationsstruktur zu schaffen, externe Beratung und einen international agierenden Systemintegrator hinzuzuziehen. Obwohl ein Softwarearchitekturkonzept erarbeitet sowie ein Managementsystem mit moderner Technologie in Betrieb genommen und im MES-Level 3 mit dessen zugehörigen Komponenten ergänzt wurde. Der Ursprung des Problems lässt sich bei Betrachtung eines Reifegradmodells identifizieren, das sich mit aktuellen und zukünftigen funktionalen Anforderungen in den Unternehmen auseinandersetzt. Demnach sollten im ersten Schritt, dem Paradigma eines Management-Information-Systems (MIS) folgend, dem Management zeitnah Zustands-, Auslastungs- und Auftragsinformationen aus dem MES-Level 2 und 3 dem ERP-System bereitgestellt werden.

Reifegradmodell mit aktuellen bzw. zukünftigen 
funktionalen Anforderungen
Reifegradmodell mit aktuellen bzw. zukünftigen funktionalen AnforderungenBild: ATS-Global / MES/MOM CoC Program, / MESA International / © Thomas Nowotka, (www.tnce.de)

Reporting bereits schwierig

Grundsätzlich lässt sich schon für die Implementierung dieses Reportings ein Software Lifecycle Management einschließlich eines Rollout- und Supportkonzepts etablieren. In der Praxis kommen bereits an dieser Stelle Schwierigkeiten zum Vorschein. Erste Erkenntnisse, wieso erarbeitete Lösungen auf Level 3 instabil werden und Verbindungen zum Level 2 eine gewisse Fragilität aufweisen, lassen sich mit Blick auf die grundsätzlichen Startbedingungen, relevante Randbedingungen und Hindernisse gewinnen.

Startbedingungen:

  • Dem Top-Down-Modell entsprechend formuliert das Management die Anforderungen.
  • Die IT-Abteilung verantwortet das Digitalisierungsprogramm.
  • Die Organisation besteht aus Mitgliedern des Managements und der IT-Abteilung.
  • Der Fokus des Programms liegt auf der Digitalisierung von Geschäftsprozessen auf Managementebene unter Einbeziehung der Shopfloor-Prozesse.
  • Die IT strebt die Harmonisierung der IT-Infrastruktur und IT-Systeme an.
  • Zwei Standorte setzen das Programm prototypisch um.

Randbedingungen:

  • Das Produktportfolio des Unternehmens bedarf unterschiedliche Prozesskategorien.
  • Standorte gleicher Prozesskategorien werden zu Businessunits zusammengefasst.
  • Gegebenenfalls erfolgt ein mehrstufiger Herstellprozess über mehrere Prozesskategorien, Logistikprozesse verbinden die Businessunits.
  • Das Unternehmen betreibt internationale und multikulturelle Standorte.
  • Level-3-Aspekte betreffen auch Legacy-Systeme.
  • Oft existieren über 100 Legacysysteme bei vielfach manuellem Produktionsmanagement.
  • Für die vielen Anlagen- und Teilanlagen verschiedener Hersteller existiert kein einheitliches Daten-, Funktions- und Statusmodell.
  • Die Anlagen- und Teilanlangen sind nur zum Teil digitalisiert und der digitale Reifegrad der Standorte unterscheidet sich auf dem Level 2 stark.

Hindernisse und offene Anforderungen:

  • Die Organisationsstruktur funktioniert nur mangelhaft.
  • Das Vorgehensmodell der Organisation und des MES/MOM-Programms sind nur bedingt geeignet
  • Das Programm wird von der IT-Abteilung ausgeführt, Beteiligte aus den Werken wurden nicht eingebunden.
  • Um zu einer homogenen IT-Landschaft zu gelangen, wurde das Managementsystem auf ERP-Ebene mit dessen Komponenten für das Level 3 versehen, ohne sich mit dem abstrahierenden Kommunikationsmodell zwischen Produktionsmodell und Level 2 zu befassen.

Die Bewertung dieser Bedingungen legt eine wesentliche Grundproblematik offen: Projektteams verlassen sich vor allem auf das Managementsystem und seine Level-3-Module. Zudem wurde der Schritt übersprungen, die Anforderungen zu analysieren, sie in ein Lastenheft zu übertragen und davon Detailspezifikationen abzuleiten. Stellen etwa die zum Review hinzugezogenen externen Systemintegratoren dem Management diese Situation dar, offenbaren sich beim Status quo oft eine Reihe weiterer Projekthürden:

  • Die Legacy-Systeme auf Level 2 an Level 3 anzubinden, ist sehr aufwendig.
  • Das Veränderungsmanagement und Rollout-Konzept über mehrere Standorte und Business-Units ist ungeeignet. An Pilotstandorten entsteht Parallelarbeit.
  • Daten stehen entgegen den Anforderungen nicht permanent online zur Verfügung. Ein Store-Forward fehlt.
  • Ungeplante Verbindungsabbrüche vom ERP-Level 4 zu MES-Level 3 sowie zu Level 2 führen zu Anlagenstillständen.
  • Support gestaltet sich bereits zu Beginn schwierig.
  • Die Unzufriedenheit der Beteiligten in den Werken beginnt, das gesamte Programm zu gefährden.

Die Zustimmung und Unterstützung des Managements als Program Sponsor bleibt ein essenzieller Projektbaustein und auch eine Einbindung der IT-Abteilung obligatorisch. Die Menschen in den Werken nicht einzubinden, ist dem Erfolg eines Digitalisierungsprogramms jedoch ebenfalls abträglich. Auch Schwachpunkte wie eine fehlende Anforderungsanalyse, die in ein Lastenheft und eine detaillierte Konzeption der Softwarearchitektur mündet, sind unmittelbar zu beheben.

CoE – Einbindung von Stakeholdern aus allen Bereichen 
(eigene Darstellung)
CoE – Einbindung von Stakeholdern aus allen Bereichen (eigene Darstellung)Bild: ©Andreas Holz/ATS-Global

Bereit bleiben für Änderungen

Wichtig ist zudem, bei der Abbildung des Produktionsmodells im Konzept die standortspezifischen und businessunitspezifischen Ausprägungen zu berücksichtigen. Im Change Management sollte ebenfalls bedacht werden, dass sich MES-Anwendungen auf Level 3 funktional künftig weiterentwickeln dürften. Dabei muss auch den Scada-Anwendungen auf dem MES Level 2 Rechnung getragen werden, die weitere Bereiche und Funktionskategorien betrifft. Nicht zuletzt gilt es internationale Standards wie ISA 88 und ISA 95 auszulegen und umzusetzen. Ein Ansatz, um ein groß angelegtes Digitalisierungsprogramm in gewollte Bahnen zu lenken und zum Erfolg zu führen, beinhaltet die nachfolgend dargestellten Punkte.

CoE exemplarische Organisationsstruktur 
für ein Multisiteprojekt
CoE exemplarische Organisationsstruktur für ein MultisiteprojektBild: ©Andreas Holz/ATS-Global

Center of Exellence/Exzellenzzentrum

Eine Organisationsform, die sich seit Jahrzenten zur Bewältigung komplexer Programme bewährt, ist ein CoE, ein Center of Excellence oder Exzellenzzentrum. Der anfangs eingeführte Begriff Programm – und nicht etwa IT-Projekt – verdeutlicht, dass in diesem Transformationsprozess Technologie, Geschäftskonzepte, Forschung, Wirtschaft und andere Aspekte von Bedeutung sind. Kompetenzzentren helfen einem Unternehmen bei der Spezifikation, der Implementation, Ausführung und Überwachung eines so vielschichtigen Programms. In einem CoE bündelt erforderliches Wissen aus den relevanten Fachbereichen, das im Produktionsumfeld den Werker an der Anlage betrifft, den Key-User aus Funktionskategorien wie Produktions-, Material-, Qualitäts- und Instandhaltungsmanagement, die IT-Leiter und das Management. Auch externe Technologiedienstleister und Berater sowie die Sponsoren des Programms sollten eingebunden werden. Ein Exzellenzzentrum entwickelt Best Practices, fördert ihre Anwendung und überwacht diese. Ein Fokus ist ein gemeinsames Glossar, dass allen beteiligten als Verständigungsbasis dient.

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