Der Mensch kehrt zurück in die Produktionshalle

Bild: Technologie-Initiative SmartFactory KL e.V.

Maschinen können sich nicht alleine weiterentwickeln und somit bedeutet völlige Automatisierung Stillstand. „Roboter verbessern Prozesse nicht. Nur Menschen können Prozesse verbessern. Darum sollten sie immer im Mittelpunkt stehen“, sagt Mitsuru Kawai, Vizepräsident und Fertigungschef von Toyota. Auch künstliche Intelligenz (KI) wird nicht von sich aus immer schlauer. „KI sehen wir als erweiterte Intelligenz des Menschen. Sie ist schnell, aber nicht klug. Wenn ihr kein Mensch beibringt, was richtig und was falsch ist, dann bleibt sie im besten Falle stehen. Oder macht im Extremfall ihre Arbeit immer schlechter,“ ergänzt Prof. Martin Ruskowski, Vorstandsvorsitzender der SmartFactory Kaiserslautern. „Wir brauchen die Menschen in der Fabrik als Ideenmotoren, aber auch wegen ihrer handwerklichen Flexibilität. Deshalb setzen wir in unserer hochautomatisierten Demonstratorlandschaft zusätzlich auf Handarbeitsplätze.“

Eckpunkte der Industrie 4.0

Als vor zehn Jahren der Begriff Industrie 4.0 geboren wurde, definierten die Autoren dabei damals einige Eckpunkte:

  • Digitale Vernetzung von Maschinen und Anlagen, die untereinander kommunizieren.
  • Technische Assistenzsysteme zur Unterstützung und Entlastung des Menschen.
  • Dezentrale Entscheidungsmöglichkeiten der Cyber-physischen Systeme, punktuell autonom.
  • Möglichkeit kleine Stückzahlen wirtschaftlich fertigen zu können, bis hinunter zu Losgröße 1.

„Ich entdecke da keinen Hinweis, dass in den Werkshallen das Licht ausgemacht werden soll, weil Maschinen ja nichts sehen müssen“, sagt Ruskowski. „Leider wurde Industrie 4.0 aber oft falsch verstanden. Viel zu oft wird in Unternehmen auf rein technische Lösungen gesetzt. Dabei hat sogar Elon Musk, der Apologet der völligen Automatisierung, das als Fehler erkannt und sagte: „Die Menschen werden unterschätzt.“ Im Umkehrschluss heißt das, dass Maschinen und KI viel zu oft überschätzt werden.

Nicht alles automatisieren

„Natürlich kann man fast alles automatisieren“, bestätigt Ruskowski, „aber warum sollte man das tun? Bei uns heißt die Devise: Wir müssen nicht alles mit Robotern ausstatten, wenn der gleiche Mehrwert auch mit einfachen Mitteln zu erreichen ist.“ Vollautomatisierte Produktionslinien benötigen hoch komplexe Systeme, die viel Geld kosten, wenig flexibel sind und oft stillstehen, führt Ruskowski aus. Dazu kommt ein weiteres Argument aus Japan: „Eine solche Produktion würde für immer auf derselben Entwicklungsstufe verharren“, sagt Kawai. „Das ist bei künstlicher Intelligenz im Prinzip genauso“, so Ruskowski weiter. „Wenn niemand genau hinsieht, was eine KI tut, dann werden weder Fehler auffallen, noch Optimierungspotentiale erkannt. Die Algorithmen sind ohne menschliche Reflektion auf Dauer hilflos und bleiben beschränkt.“

Nichts ist flexibler als Handarbeit

2019 hat die SmartFactory Kaiserslautern den Begriff Industrie 4.0 erneuert und geschärft. Das Update taufte sie Production Level 4 (PL4). „Wir haben in unsere Vision technische Neuerungen wie KI-Methoden aufgenommen, aber auch die Rolle des Menschen in der Fabrikhalle neu definiert“, sagt Ruskowski. Tatsächlich entwickeln Forschende und Vereinsmitglieder aus der Industrie in der SmartFactory-KL gemeinsam flexible Produktionssysteme, die über Netzwerke und Datenplattformen technologie- und standortübergreifend auf Maschinenfähigkeiten (Skills) zurückgreifen können. So wird es möglich, dass sich Unternehmen, bzw. die Produkte selbst, Fertigungswege nach Auftrag individuell konfigurieren. Auf ‚Marktplätzen‘ wie Gaia-X werden von angeschlossenen Partnern Skills angeboten, die von anderen Firmen gebucht und zu neuen Produktionsabläufen zusammengestellt werden können. So soll maximale Resilienz gewährleistet werden, denn fällt eine Maschine aus, steht eine andere bereit. Auch die Flexibilität wird erhöht. „Doch keine Maschine wird in naher Zukunft so flexibel sein, wie der Mensch“, erläutert Ruskowski. „Deshalb sind in unserer Shared Production, die wir derzeit auf drei Standorte verteilt in Kaiserslautern aufbauen, bewusst viele Handarbeitsplätze integriert.“

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