Startschuss für Experimente

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Quantencomputer stellen eine der meistdiskutierten Zukunftstechnologien dar. Es wird aber nicht nur diskutiert, sondern auch investiert. Aktuell fließt zunehmend mehr Geld in den Wissens- und Infrastrukturaufbau von Quantentechnologien. Allein das Bundeswirtschaftsministerium stellt zwei Milliarden Euro im Rahmen des 2021 verabschiedeten Konjunktur- und Zukunftspakets für Forschung in Quantencomputing zur Verfügung. Bei Quantencomputern handelt es sich nicht um eine Erweiterung der rechnerischen Kapazitäten von heute, sondern um eine völlig neue Technologie. Selbst für versierte IT-Experten ist Quantencomputing in der Regel Neuland.

Parallelität & Wahrscheinlichkeitslösung

Ein Quantencomputer verarbeitet nicht seriell eine Abfolge einzelner Zahlen, wie es die binären Rechner leisten, sondern arbeitet mit Quantenzuständen mikroskopisch kleiner Systeme, sogenannten Qubits. Mathematisch betrachtet arbeiten Qubits gleichzeitig – in gewissem Sinne parallel – an allen möglichen Rechenlösungen. Das Ergebnis dieser wortwörtlich ganzheitlichen Betrachtung in Quantencomputern ist aber lediglich eine Wahrscheinlichkeitslösung. Denn Quantencomputer messen die Zustände von Qubits, bis sie eine Priorisierung für einen bestimmten Wert ergeben. Die Unschärfe, ein fundamentaler Aspekt der Quantenphysik, wird an dieser Stelle deutlich. Ob die Rechenergebnisse von Quantencomputern gültige Lösungen sind, muss daher oft überprüft werden. Und dennoch ist die Errechnung durch einen Quantencomputer sowie die abschließende Prüfung oft viel schneller als eine klassische Rechnung. Neben der Fähigkeit, eine enorm hohe Anzahl von Kombinationen auswerten zu können, bieten die Wahrscheinlichkeitslösungen eines Quantencomputers weitere Chancen: Die Wahrscheinlichkeitsrechnungen führen zu echten Zufallszahlen, so dass beispielsweise Verzerrungen in Simulationsrechnungen vermieden werden können, die auf deterministische Zufallsgeneratoren zurückgehen. Es ist daher möglich, Simulationen mit Quantencomputern realitätsnäher zu gestalten. Darüber hinaus können alle Bereiche, in denen große, komplexe Systeme mit sehr vielen Parametern berechnet werden, von der Technologie profitieren.

Anwendungspotenziale in der Automobilindustrie

Quantencomputer bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten, insbesondere für die Automobilbranche: von der Vertriebs- und Produktionsoptimierung über Simulationsrechnungen bis hin zum autonomen Fahren. Vor allem in Bezug auf autonomes Fahren könnte bereits existierende künstliche Intelligenz (KI) mit Quantencomputing kombiniert werden. KI wird heute prinzipiell zum Lernen eingesetzt, damit ein Fahrzeug sich selbst beibringt, wie es auf bestimmte Umwelteinflüsse reagieren kann. Aber dieser Prozess ist aufwendig: binär ausgerichtete KI benötigt viel Zeit, um die großen Datenmengen zu verarbeiten. Durch Quantencomputing können die Daten viel schneller analysiert und dadurch der Lernprozess des autonom fahrenden Autos beschleunigt werden. Automobilhersteller sind zudem immer wieder mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Produktion zu optimieren. Sie erstellen Planungen, welche Modelle sie in welcher Menge in welchen Märkten verkaufen möchten. Es muss errechnet werden, wie die Zielsetzungen zu den Ressourcen und Kapazitäten der Fabriken passen. Diese Aufgabe könnten Quantencomputer übernehmen, denn sie führen die Optimierungsrechnungen sehr schnell durch und können somit zur Kostensenkung und Umsatzerhöhung zeiteffizient beitragen. Doch der Einsatz von Quantencomputing ist nur in bestimmten Anwendungsszenarien in der Automobilindustrie sinnvoll und zielführend. Quantencomputing wird voraussichtlich nicht für Aufgaben wie die Suche in einer klassischen Datenbank verwendet werden. Extrem große Lösungsräume eignen sich hingegen schon: Beispielsweise können Quantencomputer bei der Simulation eines Autounfalls dabei helfen, die Schwachstellen an der Karosserie zu identifizieren oder die räumliche Veränderung eines bestimmten Punktes im Zuge des Unfalls festzustellen.

Erste Projekte schon angelaufen

Aus diesem Kontext heraus beschäftigen sich große Namen in der Automobilbranche schon heute mit Quantencomputern. Volkswagen hat vor gut fünf Jahren durch die Gründung einer spezialisierten Tochtergesellschaft (VW Data Lab) begonnen, sich mit diesen technologien auseinanderzusetzen. BMW ist letztes Jahr einen ähnlichen Weg gegangen und hat mit neun Partnerunternehmen das Konsortium QUTAC gegründet. Im Bereich Innovationsmanagement befasst sich BMW auch mit dieser Thematik und hat u.a. eine Crowd-Innovation Challenge zum Thema Quantencomputing veranstaltet, an der auch das Beratungs- und IT-Unternehmen MSG teilgenommen hat.

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