Sustainable Innovation

Bild: RWTH International Academy gGmbH

Durch den Übergang von Verkäufer- hin zu Käufermärkten haben sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen der produzierenden Industrie signifikant verändert. Heutzutage ist das sogenannte VUCA-Wettbewerbsumfeld durch zunehmende Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity gekennzeichnet. Ein Beispiel dafür lässt sich in der Corona-Krise erkennen, welche eine neuartige Robustheit und Agilität von Unternehmen fordert. Hinzu kommt die zunehmende Relevanz des digitalen Wandels und der immer größer werdenden Notwendigkeit des nachhaltigen Handelns. Um die Existenz des Unternehmens langfristig zu sichern, müssen Industrieunternehmen daher verstärkt nachhaltig innovieren, um den globalen Trend der Sustainability sowie die Veränderungen des Kaufverhaltens zu adressieren.

Lean-Thinking als Anfang

Aus der Historie kommend, war der Kern des Innovationsprozesses die Entwicklung von Produkten und deren erfolgreiche Platzierung am Markt. Um die Schritte von der Produktidee über deren Ausarbeitung bis hin zum marktreifen Produkt möglichst effektiv und effizient zu gestalten, wurden im Rahmen des Lean Innovation-Ansatzes Lean-Thinking-Prinzipien auf das Innovationsmanagement übertragen.

Um den eingangs beschriebenen Herausforderungen im Marktumfeld produzierender Unternehmen gerecht zu werden, hat das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University den Lean Innovation-Ansatz hin zu einem Sustainable-Innovation-Ansatz erweitert. Der übergeordnete Leitsatz für Sustainable Innovation lautet: Nachhaltig Werte schaffen. Nach Rainer Souren wird dabei Sustainability oder Nachhaltigkeit definiert als Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre Bedürfnisse zu befriedigen“. Anhand dieser Definition lassen sich die drei Säulen der Nachhaltigkeit ableiten: Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit bedarf es der Betrachtung ökologischer Fragestellungen. Um die Bedürfnisse der heutigen Generation dabei nicht zu vernachlässigen, müssen ebenso ökonomische und soziale Aspekte Berücksichtigung finden.

Was genau ist Sustainable Innovation

Basierend auf diesen drei Dimensionen wird Sustainable Innovation wie folgt definiert: Der Ansatz beschreibt die Anpassung des Innovationsprozesses produzierender Unternehmen unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit und zielt darauf ab, die Effektivität (im Sinne der Kundenzufriedenheit durch bessere Produkte) und die Effizienz (im Sinne des Ressourceneinsatzes durch schlanke Prozesse) zu optimieren, sodass die Innovationsproduktivität zur nachhaltigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit signifikant gesteigert wird.

Sustainable Innovation als ganzheitlicher Ansatz

Die zur Adressierung dieser Herausforderungen notwendigen Handlungsfelder und Prinzipien sind in Abbildung 1 dargestellt. Die Handlungsfelder adressieren den Trend, eine sequentielle Abfolge der Innovationsphasen Marktanforderungen, Projektplanung, Produktentwicklung, Produktion, Vertrieb abzulösen. Im Gegensatz dazu beschreibt der Sustainable Innovation-Ansatz ein kontinuierliches, iteratives und zyklisches Vorgehen entlang dieser Handlungsfelder. Dabei werden Ideen bewusst schnell in Prototypen umgesetzt und den Kunden bzw. Stakeholdern zur Verfügung gestellt. Im Handlungsfeld Marktentwicklung werden Kundenanforderungen aus Nutzer- und Nutzungsbeschreibungen identifiziert und mittels Market Intelligence wird die Sortimentsplanung unterstützt. Wichtig ist dabei der kundenorientierte Fokus auf die richtigen Produktvarianten im Gegensatz zur Platzierung von vielen Varianten am Markt. Diese Fokussierung führt im Sinne der Nachhaltigkeit zu Ressourceneffizienz und einer zielgerichteten Produktauswahl durch den Kunden. Eine Ausweitung neuer Technologien und Services auf neue Produkte wird durch ein systematisches Roadmapping ermöglicht. Wichtig ist auch hierbei die Fokussierung auf die Kernwerttreiber, um schnell und kosteneffizient einen Markt erschließen zu können. Durch die Entwicklung hin zu Lösungsanbietern kommt dem Vertrieb eine essenzielle Rolle bzgl. der Produktplatzierung zu und erfordert ein neues Vertriebsverständnis. Darüber hinaus werden Produkte erst dann zu Innovationen, wenn sie erfolgreich am Markt platziert werden können. Im Handlungsfeld Projektstrukturierung wird der Einklang aus Aufbau- und Ablauforganisation zur erfolgreichen Synchronisation der Entwicklungsaktivitäten beschrieben. Des Weiteren wird das Innovationssystem auf damit einhergehende Unsicherheiten vorbereitet und der Grad der Agilität festgelegt. Um agile und plangetriebene Projektstränge zu synchronisieren, wird ein hybrides Projektmanagement notwendig. Ebenso ist es essenziell, Prozesse zu optimieren, um verschwendungsfrei agieren zu können. Des Weiteren wird der Aufbau einer neuen Innovationskultur unterstützt, welche auf der einen Seite ein neues Führungsverständnis proklamiert und auf der anderen Seite die Eigenverantwortung des Entwicklungsteams in den Vordergrund rückt. Im Handlungsfeld der Produktrealisierung wird das Zusammenspiel von agiler Prototypenplanung, Produktarchitektur- und Prozessbaukastengestaltung thematisiert. Durch die Definition der richtigen Prototypen können kritische Fragestellungen im Innovationsprojekt effizient beantwortet werden. Basis hierfür und für die spätere Ableitung von Produktvarianten sowie deren aufwandsarmen Realisierung sind die Produkt- und Prozessarchitekturgestaltung von großer Bedeutung. Durch das kontinuierliche Update von Produkten lässt sich weiterhin der Kundennutzen kontinuierlich steigern und die Verlängerung des Produktlebenszyklus wird ermöglicht. Mit den Prinzipien der Domänenintegration Industrie 4.0, Product Lifecycle Management und Kollaboration werden die verschiedenen Handlungsfelder unterstützt und verknüpft. So lassen sich im Kontext von Industrie 4.0 Erkenntnisse über Produkte aus dem Feld generieren und in den Innovationsprozess überführen, um latente Kundenbedürfnisse zu adressieren. Abschließend können in Entwicklungsnetzwerken komparative Vorteile durch die Konfiguration von Kompetenzen geschaffen werden.

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