Mechatronik im Wandel?

Kommt die Mechatronik langsam aus der Mode, Herr Seitz?

Sebastian Seitz: Nein, kommt sie nicht. Die Mechatronik ist ein breites und komplexes Spielfeld. Weniger wegen der dort eingesetzten Tools, sondern vielmehr weil man sie als prozessuales und methodisches Thema begreifen muss – und damit als Disziplin-übergreifende Engineering-Aufgabe. Doch getrieben durch die Digitalisierung hat sich hier sicherlich über die letzten Jahre einiges geändert.

Was für Änderungen sind das?

Seitz: Es hat z.B. große Fortschritte dabei gegeben, die Automatisierer und SPS-Programmierer in das mechatronische Engineering einzubinden. Spannende Entwicklungen gibt es genauso bei der Verbindung zum Schaltschrankbau und zur Feldverkabelung. In anderen Bereichen, etwa in Richtung mechanische Konstruktion, ist hingegen noch Luft nach oben. Kurzum gilt aber: Das Thema Mechatronik hat durch die Digitalisierung eine gewisse Wandlung durchlaufen. An Aktualität verloren hat es aber nicht.

Macht die Digitalisierung den mechatronischen Ansatz besser greifbar?

Seitz: Das ist mit Sicherheit so. Die digitale Abbildung und Unterstützung von Prozessen bieten gute Hilfestellung, um den Nutzen der Mechatronik zu erschließen bzw. zu erhöhen. Allerdings können Software-Werkzeuge selbst nur ein Teil der Lösung sein. Für den größten Mehrwert muss man an anderer Stelle ansetzen, nämlich schon in der Organisation der Entwicklung. Hier gilt es, Silos aufzubrechen oder von Beginn an zu vermeiden. Nochmal: Engineering muss als integrierte Disziplin verstanden werden. Manche Unternehmen sind dabei schon sehr weit, andere stehen eher noch am Anfang der Reise.

Woran hakt es denn bei letzteren? Liegt es an der fehlenden Aufmerksamkeit?

Seitz: Das glaube ich nicht. Auch diese Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema. Aber in der betrieblichen Realität sind viele Herausforderungen parallel zu meistern – gerade mit Blick auf die Digitalisierung, mit der sich Unternehmen ja an vielen unterschiedlichen Stellen befassen müssen. Und so steht das mechatronische Engineering in der internen Priorisierung eben nicht immer zwingend an Position eins.

Lässt sich ableiten, dass Unternehmen mit größeren Ressourcen auch tendenziell weiter bei modernen Engineering-Prozessen sind?

Seitz: Dass die Firmengröße die bestimmende Triebfeder ist, halte ich für eine wackelige These. Meines Erachtens ist es eher davon abhängig, welche Art bzw. Kombination von Produkten und Leistungen man am Markt anbieten will. So gibt es auch viele Kleine, die ein tief integriertes Produktportfolio brauchen. Während manch Großer, der eher mechanisch dominiert ist, die Notwendigkeit des mechatronischen Engineerings nicht so sehr spürt.

Wie Sie bereits betont haben, ist das Engineering nur ein Ausschnitt aus dem Aufgabenheft ihrer Kunden. Welchen Teil der gesamten Wertschöpfung kann Eplan heute begleiten?

Seitz: Die DNA von Eplan ist und bleibt das Detail Engineering im Automatisierungsumfeld. Dafür haben wir die leistungsstärkste Software. Doch weil sie kein Allheilmittel ist, wollen wir Maschinenbauer und Endanwender mit unseren Lösungen auch in weiteren Wertschöpfungsphasen unterstützen. Dazu zählt etwa der digitale Zwilling eines Schaltschranks, für den unsere Tools die Grundlage liefern. Dazu gehört eine durchgängige Dokumentation und eine möglichst intelligente Gerätebeschreibung der eingesetzten Komponenten. An solchen Stellen lässt sich der große Mehrwert erzeugen. Vorausgesetzt alle beteiligten Parteien arbeiten konsistent zusammen – vom Komponentenhersteller über den Softwarelieferanten bis zum Systemintegrator. In diesem Sinne müssen unsere Lösungen dann auch Daten berücksichtigen, die links und rechts vom eigentlichen Engineering benötigt werden.

Wie lässt sich denn sicherstellen, dass die gesamte Toolchain selbst für kleine Mittelständler beherrschbar bleibt?

Seitz: Die zentrale Frage ist: Wie schafft man einen vernünftigen Einstieg? Und unsere Antwort lautet: stufenweise. Eplan ermöglicht einen Start an genau der Stelle, an der es für den Kunden relevant wird. Und genau so, dass er den größten Benefit erzielt. Darauf aufbauend bieten sich dann viele weitere Funktionen, um Stück für Stück in das moderne Engineering hineinzuwachsen. Auf diesen Ansatz ist Eplan schon seit langem ausgerichtet. Die einzelnen Tools innerhalb unserer Plattform sind im Grunde nur unterschiedliche Blickwinkel auf ein und dasselbe Datenmodell. Eine One-Size-fits-All-Oberfläche funktioniert nicht, denn dazu sind die Anforderungen in den jeweiligen Disziplinen zu unterschiedlich. Stattdessen kann der Nutzer das homogene Datenmodell ganz spezifisch nutzen – also genau so, wie er es benötigt. Das gilt quer über alle Unternehmensgrößen hinweg: Vom Konzern über mittelständische Maschinenbauer bis hin zum Ingenieurbüro. In diesem Sinne bedient Eplan wirklich ein komplettes Marktumfeld und nicht nur eine spezielle User-Gruppe.

Eplan positioniert sich als Taktgeber für effizientes Engineering. Demgegenüber steht, dass der Maschinenbau oft zögerlich reagiert, wenn es um die Adaption neuer Technologien und Prozesse geht. Wie gehen Sie damit um?

Seitz: Dass der Maschinenbau an dieser Stelle sehr vorsichtig agiert, hängt stark mit seinen Produkten zusammen. Wenn man dafür verantwortlich ist, dass eine Anlage über 15 oder 20 Jahre zuverlässig ihren Dienst verrichtet, überlegt man sich technologische Sprünge gut. Dann ist es im Zweifel nicht sinnvoll, jede neue Technologie sofort einzusetzen, nur weil sie verfügbar ist. Diesem Ansatz hat sich Eplan ebenfalls ein Stück weit verschrieben. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Kunden mit einmal realisierten Lösungen auch in Zukunft weiter arbeiten können. Technologie- oder Generationswechsel dürfen also nicht bedeuten, dass der Anwender mit seinen bisherigen Arbeitsergebnissen nichts mehr anfangen kann. Das gilt für den Maschinenbau genauso wie für die Softwareentwicklung.

Ein Beispiel für neue Technologie bei Eplan ist das Cloud-Engineering.

Seitz: Richtig. Die Verbreitung von Cloud-Technologie ist auch im Engineering ganz klar vorgezeichnet. Aber das geschieht nicht über Nacht. Deshalb verfolgen wir aktuell zwei Stoßrichtungen: Zum einen setzen wir auf ein passendes Zusammenspiel zwischen den Tools, die Eplan bereits für die Cloud anbietet. Zum anderen bewegen wir uns sukzessive in Richtung von Lösungen, mit denen sich Schaltpläne auch wirklich in der Cloud editieren lassen. Die Grundlagen dafür sind geschaffen. Jetzt rücken vor allem die Bedürfnisse unserer Kunden und entsprechende Mehrwerte in den Fokus. Ein Beispiel, das heute schon sehr stark nachgefragt wird, ist die Kollaboration über Standort- oder sogar über Firmengrenzen hinweg. Dafür sind Cloudlösungen prädestiniert – und besonders wertvoll, wenn man in Zeiten wie diesen eben nicht immer gemeinsam im Büro sitzen kann. Letztlich bleibt unser Credo aber, dass wir keinen Kunden zum Einsatz von Cloudlösungen zwingen.

Ein Punkt, an dem Sie Anwendern keine Wahl mehr lassen, ist die Lizenzierung. Eplan-Tools bekommt man jetzt nur noch im Subscription-Modell. Was sagen Ihre Kunden dazu?

Seitz: Dieses Lizensierungsmodell verbreitet sich ja seit vielen Jahren unaufhaltsam in der Softwareindustrie. Entsprechend wird es auch bei uns sehr gut angenommen. Es gibt ja einige Vorteile. So senkt das Subskriptionsmodell z.B. die Einstiegshürde – rein preislich gesehen. Zudem sind Funktionalität und Umfang individuell anpassbar. Und auch der Ausstieg ist jederzeit möglich, ohne dass ein Initialinvest in den Sand gesetzt wird. Zudem wirkt sich die Subskription äußerst positiv auf die Bindung zwischen Anbieter und Anwender aus: Einer stiftet einen bestimmten Nutzen und der andere bezahlt direkt dafür. Aber nur solange er den Mehrwert auch wirklich erhält. In diesem Sinne rücken wir künftig noch enger an unseren Kunden heran und müssen dafür Sorge tragen, dass der Nutzen – den wir versprechen – möglichst hoch ist und auch tatsächlich erreicht wird.

Wie individuell anpassbar auf den jeweiligen Anwender ist das Eplan-Portfolio denn damit tatsächlich?

Seitz: Über die Abstufungen Compact, Select und Professional stellen wir verschiedene Pakete mit funktionalem Zuschnitt für P8, Pro Panel bzw. Preplaning zur Verfügung. Der Anwender kann außerdem zwischen weiteren Funktionsblocks und Tools wählen. Insgesamt lässt sich also eine ziemlich feine Granulierung für die unterschiedlichen Anforderungen und Budgets erreichen.

Lassen Sie uns abschließend nochmals resümieren: Wo liegen die größten Vorteile für den Anwender, wenn er die Möglichkeiten der neuen Eplan-Plattform nutzt?

Seitz: Hier sind mehrere Bereiche zu nennen: Ein ganz zentraler Punkt ist heute das Komplexitätsmanagement und die Vereinfachung einer Anwendung – gerade bei gewachsenen Lösungen. Denn einhergehend mit steigender Komplexität leidet in vielen Fällen die Anwendbarkeit. Dem treten wir bei der Plattform 2022 z.B. durch die komplett neue Bedienoberfläche entgegen. Der zweite entscheidende Punkt findet sich in der Möglichkeit, immer mehr zu kollaborieren, Arbeitsergebnisse zu teilen und die verschiedenen Engineering-Disziplinen so miteinander zu verbinden, dass sie möglichst gut ineinander greifen. Der dritte wesentliche Punkt ist, dass der Kunde unsere Lösungen passgenau auf seine Bedürfnisse abstimmen kann. Dazu gehört auch, dass er sich auf Anhieb in unserem Portal zurechtfindet und möglichst geringen administrativen Aufwand hat. Hier sind wir noch nicht ganz am Ziel angekommen, aber mit unserer neuen Version auf einem guten Weg.

Mehr Kundennutzen im Netzwerk

Mit seinem Partner Network bündelt Eplan das Knowhow von Kooperationspartnern mit Blick auf mehr Kundennutzen. Anwender insbesondere in den Bereichen PLM, ERP, SPS sowie Simulation sollen vom intensiven Austausch der Hersteller untereinander profitieren; die Konnektoren zwischen den Systemen werden mit Stringenz und Nachhaltigkeit geplant, entwickelt, getestet, supportet und vermarktet. Auf Basis offener Schnittstellen und moderner Integrationen ergeben sich vielfältige Chancen, von denen Nutzer der unterschiedlichen Softwarelösungen, aber auch Partnerunternehmen selbst profitieren. Mittlerweile sind 40 Unternehmen im Eplan Partner Network beteiligt – darunter bekannte Namen wie ABB, Bosch Rexroth, B&R, Endress+Hauser, Festo, IFM Electronic, Lenze, Mitsubishi Electric, Phoenix Contact, Pilz, Rittal oder Rockwell Automation. Auch Softwarepartner wie Contact Software, Encoway, ISD oder Procad sind an Bord.

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