Deformiert? Kein Problem!

Bild: Universität Stuttgart, ISW

Problematisch bei der Handhabung biegeschlaffer Bauteile wie Kabel, Schläuche oder Dichtungen sind insbesondere die großen Verformungen, die bereits bei geringen Kräften auftreten. Die Objekte verformen sich bereits durch ihr Eigengewicht, geringe Kontaktkräfte mit der Umgebung oder aufgrund der Interaktion mit dem Roboter während der Manipulation. Im Rahmen des Graduiertenkollegs Soft Tissue Robotics wurde ein Ansatz entwickelt, der das Deformationsverhalten biegeschlaffer Objekte über ein Simulationsmodell abbildet.

Aufbau des Versuchsstands

Der für die Manipulation genutzte Versuchsstand nutzt als Aktorik den siebenachsigen Leichtbauroboter Franka Emika Panda, der über eine offene C++-API mit der Physik-Simulationsumgebung Dart gekoppelt wird. Für die Ansteuerung des Roboters über dessen API wird ein Framework zur Bewegungsplanung verwendet, welches die kartesischen Positionen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen analytisch ermittelt und in Diskretisierungsschritten von 1ms an den Roboter übergibt. Durch die Trennung von geometrischer Bahn und Geschwindigkeitsprofil kann das Einhalten dynamischer Beschränkungen, wie maximal möglicher Gelenkgeschwindigkeiten durch Skalierung der Trajektorie sichergestellt werden. Die Erkennung der deformierbaren Objekte erfolgt mit einer Stereokamera Nerian Scene Scan Pro. Durch die Nutzung eines FPGAs zur Verarbeitung der Stereobilder in eine 3D-Punktwolke lassen sich Bildfrequenzen bis zu 100Hz erreichen. Nach einer initialen Kalibrierung der Kamera selbst ist auch eine Auge/Hand-Kalibrierung erforderlich, um die mit der Kamera gemessenen Positionen des Kabels zum Koordinatensystem des Roboters in Beziehung zu setzten. Hierbei wird am TCP des Roboters eine Kalibriertafel mit definierten Kalibriermuster befestigt. Über eine Menge von mindestens drei Roboterposen und zugehörigen Aufnahmen des Kalibriermusters kann hieraus die relative Position und Orientierung zwischen Kamera und Kalibriertafel als Optimierungsproblem berechnet werden.

Simulationsbasierte Positionierung

Zu Beginn der Anwendung wird ein biegeschlaffes Objekt im Arbeitsraum von der Stereokamera erfasst und als Punktwolke gesampelt. Durch geeignete Filter wird das erkannte Objekt in der Punktwolke freigestellt. Basierend auf der Repräsentation als Punktwolke wird ein Mehrkörpermodell mit voreingestellter Segmentlänge dynamisch aufgebaut. Durch die Länge der Segmente lässt sich dabei die Genauigkeit einer späteren Simulation steigern, gleichzeitig steigt aber die Rechenzeit pro Simulationsschritt. Die Kinematikbeschreibung der Bilderkennung wird nachfolgend um ein Dynamikmodell in der Simulationsumgebung erweitert. Die gesamte Simulation umfasst weiterhin den Roboter und die umgebende Zelle, wodurch auch Kontakte und Kollisionen simuliert werden können. Das simulierte Mehrkörperobjekt kann nun in der Simulation per Drag&Drop mit der Maus gegriffen und positioniert werden. Die Bewegung der mit der Maus gegriffenen Objektposition wird nach dem Positioniervorgang in der Simulation in eine Trajektorie für den Roboter übersetzt, wobei vor dem Greifen der Punkt über dem Greifpunkt auf einer Sicherheitsebene angefahren wird, um die letzte Bewegung zum Objekt orthogonal zur Tischoberfläche durchzuführen. Während der Roboterbewegung werden die Gelenkwinkel und Position der Greiferfinger mit der Simulation synchronisiert. In der Simulation und am Versuchsstand lassen sich so die simulierte und die reale Verformung des weichen Objekts nachverfolgen.

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