„Ich und mein Elektroholz“

Die Teekanne wird durch das Holz erwärmt.
Die Teekanne wird durch das Holz erwärmt.

Dem Erfindergeist sind keine Grenzen gesetzt. Schweizer Forscher haben es entdeckt: Holz ist nicht nur der Stoff aus dem unsere Möbel, Türen und die besseren Fußböden sind, es ist auch piezoelektrisches Material, das eine elektrische Spannung erzeugt, sobald es sich verformt. Also wenn Holz komprimiert wird, erzeugt es elektrische Spannung. Allerdings ist Holz bekanntlich ein ziemlich harter Stoff, und nicht so weich wie Butter, was auch der sprichwörtliche Holzkopf belegt.

Wie schon im Holzsong („Ich und mein Holz“) besungen, kann man es auch verbrennen und sägen. Und wenn man es verbrennt, spendet es Wärme… Jetzt erzeugt es Strom oder korrekter elektrische Spannung. „Am Anfang steht die Spannung“, erklärt unser Chef, während er wie ein Känguru über das Parkett hüpft und dabei ein Kabel hinter sich herzieht, an dem ein Spannungsprüfer hängt. Leider schlägt die Spannungsanzeige nicht aus – aber unsere Büronachbarn aus dem Homeoffice unter uns klopfen schon gegen die Decke. Wahrscheinlich müsste unser Chef 200 Kilo schwerer sein. Denn solides Holz reagiert nur, wenn es komprimiert wird. „Das schafft er nicht mit seinem Rumgehopse“, kommentiert unsere wissenschaftliche Holzkorrespondentin: „Schließlich konnte das Team des ETH Zürich und der Empa das Holz erst elastisch verformen und zum Minigenerator machen, nachdem sie das Lignin entfernt hatten. Das ist brutal, aber effektiv. Lignin verbindet die Zellen und verhindert, dass die zugsteifen Zellulosefibrillen ausknicken.“ Ok, jetzt wird mir klar, warum selbst ein elegant übers Parkett tanzender Elefant keinen nennenswerten piezoelektrischen Effekt zustande bringt. „Erst wenn sich Holzklötzchen ohne Lignin wie ein Schwamm drücken lassen, entsteht elektrische Spannung“, weiß meine Kollegin.

Holz bietet jetzt also noch viel mehr Chancen zur Rettung der Welt und einiger Aktivisten: Bis mein Chef seine immer wieder verschobene Canyon-Tour macht, sind sicher alle Holzhängebrücken piezoelektrisch aufgerüstet. Das wäre gut für Survival-Freaks. Denn halb verdurstete Tourengänger mit Nullprozent-Akkuladung könnten auf der schaukelnden Brücke ihr Handy aufladen und den Durstlösch-Express bestellen bevor die Elektrolyte total ausfallen. Holz rettet Leben.

Auch Betreiber von Holzachterbahnen, wie der im derzeit ruhigen Freizeitpark in Rust könnten ihren schwindeligen Gaudi-Parcours als Wood-Kraftwerk betreiben. Holz sorgt für die tatsächliche Energiewende! Denn Konzerne wie E.ON, RWE und EnBW verteilen bereits Spaten und grüne Gärtnerschürzen an ihre Leute. Wenn die nun alle Bäume auf jedem freien Fleck pflanzen, ist das wie ein Schuss Nachhaltigkeit im grünen Image-Cocktail. Im nächsten Schritt wollen die Energieriesen auf Forstbetriebe umsatteln und Forstwirte und Schreiner ausbilden statt Mechatroniker und Elektolurche. Ich muss jetzt schnell an die Textsäge in meiner Redaktionsschreinerei.

Herzlichst Ihre

Krissy Sägezahn

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