Digitale Signaturen in der Medizintechnik

Die beiden Verantwortlichen Dr. Daniel Ruch und Marco Biehler (von links)
Die beiden Verantwortlichen Dr. Daniel Ruch und Marco Biehler (von links)
Bild: PTW

Professor Wilhelm Hammer forschte zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Physikalischen Institut der Universität Freiburg und entwickelte dort ein revolutionäres Gerät: Das Hammer-Dosimeter. Es basiert auf einem elektrostatischen Relais, mit dem sich extrem kleine Ströme messen lassen. Im Jahr 1922 gründet er die Physikalisch-Technischen Werkstätten PTW und entwickelt auf Basis seines Dosimeters Geräte, um Strahlung in medizinischen Anwendungen zu messen. Hammer war Doktorvater von Dr. Herbert Pychlau, der das Unternehmen im Jahr 1927 übernahm. Dr. Christian Pychlau leitet gemeinsam mit Dr. Tobias Schüle das Unternehmen in dritter Generation, das inzwischen über 400 Mitarbeiter beschäftigt. Bis heute basieren die Dosimeter von PTW auf Hammers Idee, die winzigen Ströme, die von der Strahlung durch Ionisierung in einem Messmedium erzeugt werden, zu messen und daraus die Intensität der Strahlung zu bestimmen. Dies erfordert hohe Präzision und Aufmerksamkeit in Konstruktion und Herstellung.

Die beiden Verantwortlichen Dr. Daniel Ruch und Marco Biehler (von links)
Die beiden Verantwortlichen Dr. Daniel Ruch und Marco Biehler (von links)Bild: Inneo Solutions GmbH

Gesundes Gewebe schonen

Ziel einer Bestrahlung ist es, in einen Tumor so viel Strahlung einzubringen, dass die Tumorzellen absterben. Dabei sitzen die Tumore meist irgendwo im Körperinnern und sind von gesunden Organen und gesundem Gewebe umgeben. Daher werden Patienten so positioniert, dass Bestrahlungsgeräte den Tumor aus allen Raumrichtungen gezielt bestrahlen können. Dabei wird nicht nur die Strahlendosis, sondern beispielsweise auch die Feldgröße und die Feldgeometrie der Bestrahlung kontinuierlich angepasst, um das Tumorgewebe maximal zu schädigen und nicht die angrenzenden Organe. Vor der Behandlung definiert ein Medizinphysiker den Bestrahlungsbereich nach Angaben des Arztes und anhand von CT-Aufnahmen. Die PTW-Produkte kommen in der Strahlentherapie einerseits zum Einsatz, um zu prüfen, ob die Bestrahlungsanlage genau den gewünschten Bereich in der zuvor berechneten Dosis bestrahlt. Andererseits werden PTW-Produkte eingesetzt, um eine Qualitätssicherung der Bestrahlungsanlagen selbst durchzuführen.

Der PTW Beamscan mit Wassertank
Der PTW Beamscan mit WassertankBild: PTW

Dreidimensionale Messfelder

Die Geräte bestehen häufig aus einem sogenannten Phantom, das den menschlichen Körper simuliert – im Falle der fahrbaren Beamscan-Geräte ist dies ein Wassertank. In diesem Wassertank lässt sich der Detektor dreidimensional verfahren. Von der Ionisationskammer des Detektors werden die beschriebenen winzigen Ströme über Kabel zum eigentlichen Messgerät geleitet. Dort nimmt eine elektronische Steuerung die Messergebnisse in Abhängigkeit von der Detektorposition auf, so dass ein dreidimensionales Messfeld entsteht. In der Octavius-Reihe wird ein Array mit über tausend Messfeldern genutzt, die sich in ein Festkörperphantom einbauen und im Strahlengang positionieren lässt. Eine Vielzahl weiterer Bauformen und Messgeräte ergänzen das Angebot für weitere Anwendungsfälle.

Dokumentation gefordert

Bei den extrem kleinen Strömen hat jeder Bestandteil der Anlage – vom Detektor über die Kabel und Steckverbinder bis hin zu den Elektrometern – großen Einfluss auf das Messergebnis. Jede Änderung an einem Bauteil oder Fertigungsprozess kann das Messergebnis verfälschen, weshalb jeder Schritt genau überprüft und dokumentiert wird. Diese Dokumentation wird auch von den Regulierungsbehörden gefordert und in Audits überprüft. Die US-Behörde FDA (Federal Drug Administration) setzt dabei weltweit die Maßstäbe im Medizinbereich, da praktisch jeder Hersteller von Medikamenten oder Medizintechnik seine Produkte in den USA vertreiben möchte und sie somit von der Behörde zulassen muss. Um deren Ansprüchen zu genügen, wurde bei PTW lange jedes Bauteil als Zeichnung abgeleitet und diese Zeichnung von allen Verantwortlichen im Prozess handschriftlich signiert und bis zum Audit abgelegt. „Wenn man an Digitalisierung denkt, ist das natürlich ein Alptraum“, erinnert sich Dr. Daniel Ruch, Director Production. „Deshalb sprachen wir mit unserem Softwarepartner Inneo über eine Möglichkeit, auf digitale Signaturen umzusteigen. Bedingung dafür war natürlich ein validierter Prozess und ebenso validierte Werkzeuge.“

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