„Einige Hersteller winkten sofort ab“

Das Attendorner Familienunternehmen Beulco zählt mit seinen Produkten für die Wasserversorgung zu den wichtigsten Anbietern Europas. Das Unternehmen mit knapp 200 Beschäftigten wurde vor 70 Jahren gegründet und bietet Produkte und Systeme rund um die Trinkwasserversorgung, speziell im Bereich Hausanschlusstechnik und in der mobilen Wasserverteilung. Neben dem Eigenprogramm für den Tiefbau, die Sanitär- und Heizungsindustrie fertigt Beulco auch Produkte aus Buntmetallen für namhafte Hersteller dieser Branche. Kunden des Unternehmens sind in erster Linie Wasserversorgungsgesellschaften im gesamten europäischen Raum. „In den letzten fünf Jahren haben wir begonnen, unsere Produkte zu digitalisieren und in diesem Zuge auch unsere internen Prozesse zu verschlanken“, erzählt COO Ralf Weidner. „Agiles Arbeiten, Prozesse neu denken und Innovation vorantreiben ist für uns Arbeitsalltag geworden – auch als Mittelständler wollen wir auf die Zukunft vorbereitet sein, denn die Digitalisierung bietet zahlreiche Chancen in allen Unternehmensbereichen.“

Geschäftseinheit entwickelt digitale Produkte

Digitale Produkte heißt bei Beulco, dass etwa Standrohre mit Trackern versehen werden, die sich über die Cloud-Plattform namens iQ TrackIT Portal orten lassen. Das vereinfacht den Verleihprozess – denn Wasserversorger, welche die Standrohre bei Beulco kaufen, verleihen diese weiter an ihre Kunden. Die Geschäftseinheit Beulco Digital treibt solche Entwicklungen voran. Darunter zählen auch Produkte für den Endverbrauchermarkt wie das iQ Water System für Transparenz und Kontrolle im Wassernetz. Es überwacht mögliche Leckagen, reduziert Wasserverluste und sendet Zählerstände am Ende der Abrechnungsperiode an das System des Versorgers.

Schlanke Prozesse angestrebt

Um die internen Prozesse schlanker zu gestalten, strebt Beulco nach der Abschaffung von Papierbelegen und Medienbrüchen. Zwar wird im Großhandel schon viel über Electronic Data Interchange (EDI) kommuniziert. Trotzdem gibt es Prozesse, bei denen EDI nicht funktioniert und die nach wie vor Papierbelege produzieren. Dies sind zum einen eingehende Kundenaufträge. 50 Prozent der Kunden, vor allem kleinere Unternehmen, sind nicht EDI-fähig und schicken ihre Bestellungen bis heute als PDF bzw. in Papierform. Hinzu kommen Werks- oder Abnahmeprüfzeugnisse (APZ), die beim Einkauf von Halbzeug (Vorprodukten) regelmäßig mitgeliefert werden. Beulco verarbeitet 5.000 Tonnen Material pro Jahr, damit treffen zwischen 2.000 und 2.500 Werkszeugnisse für Halbzeuge ein, die es jährlich zu verarbeiten gilt.

OCR durch KI erweitert

Vor allem die Werkszeugnisse – aber auch viele Bestellungen – sind komplex aufgebaut und nicht standardisiert. Bei jedem Lieferanten sehen sie anders aus. Bislang musste eine Fachkraft die in ihnen enthaltenen Informationen aus den PDFs oder Papierbelegen heraussuchen und in weiterverarbeitende Systeme übertragen. Hier hilft die Technik der Belegerkennung. „Mit normaler OCR-Erkennung kommt man allerdings nicht weit, dazu sind die Belege viel zu individuell“, sagt Ralf Weidner. In jedem Prüfzeugnis gibt es eine chemische Komponente (bis zu 15 verschiedene Felder pro einzelner Material-Charge) sowie eine mechanische Komponente (z.B. welche Dehngrenze muss das Material aufweisen?) 2019 lernte Weidner auf einer Messe in Köln die Software von Evy Solutions kennen. Deren Software Xpact Production arbeitet über herkömmliche OCR-Engines hinaus mit künstlicher Intelligenz, um die automatisierte Verarbeitung von Bestellungen auf ein höheres Niveau zu heben. „Wir haben uns am Markt umgesehen und kein Produkt entdeckt, das ein KI-Training hatte. Einige Hersteller, denen wir unsere Belege zeigten, winkten sofort ab“, erinnert er sich. Unabhängig vom vorliegenden Layout liest die Software Kundennummer, Menge, Preis etc. aus und validiert diese Daten nach Abgleich mit dem Kundenstamm. Falls erforderlich, reichert sie sie an oder korrigiert sie, erzeugt aus ihnen einen strukturierten Datensatz im XML-Format und legt diesen im Microsoft-ERP-System ab. Möglich macht das der textbasierter Ansatz der Software. Diese verfügt durch die integrierte künstliche Intelligenz über ein gewisses natürliches Sprachverständnis und kann inhaltliche Zusammenhänge erkennen sowie die eigene Spracherkennung selbstlernend optimieren, statt nur stereotype Textpositionen auszulesen. Über die Übertragung der Daten erhalten Sachbearbeitende eine Nachricht per E-Mail. Mit dem Erfassungsprozess haben Mitarbeitende nichts weiter zu tun.

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