
Der Zubau erneuerbarer Energien stellt gerade den Netzbetrieb vor Herausforderungen. Um die Schwankungen dieser Energieerzeuger im Netz auszugleichen, werden aktuell Strategien erarbeitet: Dabei sollen flexible Kraftwerke errichtet werden, die hinzugeschaltet werden können, wenn die Sonne einmal nicht scheint oder Windflaute herrscht. Aber auch auf der Seite des Energieverbrauchs können die Spannungsschwankungen ausgeglichen werden. Hier greifen bereits etablierte Mechanismen in Form individueller Sondernetzentgelte für die Industrie. Danach kann ein Industrieunternehmen hohe Netzentgeltkosten einsparen, wenn es ein energiewirtschaftlich grundsätzlich sinnvolles Verhalten zusagt. Eine solche Kosteneinsparung ist aktuell möglich bei:
atypischer Netznutzung – Unternehmen verbraucht Strom in Zeiten, in denen viel Strom im Netz ist, weil deutschlandweit von anderen Stromverbrauchern typischerweise wenig Strom bezogenen wird,
intensiver Netznutzung – wenn Unternehmen eine zuverlässige, immer gleichbleibende Grundlast von mindestens 10 GWh Verbrauch und 7.000 Benutzungsstunden benötigen
Fehlanreize korrigieren
Diese beiden regulatorisch geförderten Verhaltensweisen stehen nun jedoch auf dem Prüfstand. Die in diesem Bereich federführende Bundesnetzagentur spricht in diesem Kontext von Fehlanreizen gerade bei intensiver Netznutzung, die dem Zubau erneuerbarer Energien nicht förderlich seien und kritische Netzzustände sogar verschärften. Statt einer gleichmäßigen Leistungsaufnahme stromintensiver Unternehmen sei vielmehr ein flexibles Verbrauchsverhalten der Industrie anzureizen, das die Netze entlastet.
Maßahmen für den Übergang
Bisher konnte ein Unternehmen den Kostenvorteil verlieren, wenn es den Stromverbrauch stark reduziert. Konsequenterweise hat die Bundesnetzagentur per ‚Festlegung zur Förderung der Flexibilisierung‘ angeordnet, dass eine freiwillige Reduzierung des Stromverbrauchs nicht dazu führen soll, dass ein Unternehmen den Netzentgeltvorteil verliert. Auch das Problem sogenannt Leistungsspitzen hat die BNetzA entschärft. Bezieht ein Unternehmen in einer Viertelstunde abweichend vom üblichen Jahresstrombezug eine sehr große Strommenge, konnte dies bisher dazu führen, dass der Netzentgeltvorteil verloren geht. Nunmehr gehen Leistungsspitzen, die einer Überlastung des Stromnetzes durch kurzfristige Abnahme des Unternehmens entgegenwirken, nicht mehr zulasten des Netzentgeltvorteils. Folglich wird auch schon jetzt unter den bestehenden Regelungen der individuellen Netznutzung eine flexible Stromentnahme gefördert. Jedoch ist hier zu beachten, dass diese Regelungen nur übergangsweise bis zum 31. Dezember 2025 gelten.
Eckpunkte der Novelle
Die Bundesnetzagentur hat am 24. Juli 2024 in einem sogenannt Eckpunktepapier eine grundlegende Reform der Industrienetzentgelte angekündigt. Wie zu erwarten war, sollen die Regeln zur intensiven Netznutzung nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV zum 1. Januar 2026 grundsätzlich abgeschafft und durch ein neues Sondernetzentgelt ersetzt werden. Über die konkreten Inhalte dieses neuen Sondernetzentgelts ist noch wenig bekannt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass künftig nur noch ein ’systemdienliches Verhalten‘ gefördert werden soll. Mit anderen Worten: Gesetzlich gefördert wird also nicht mehr ein konstantes Abnahmeverhalten, sondern vielmehr die Bereitschaft des Unternehmens, kurzfristig und flexibel die stromintensive Produktion herunter- und hochzufahren. Es bleibt zu hoffen, dass die Novelle der Industrienetzentgelte auf Besonderheiten bestimmter Branchen eingeht und einen sachgerechten Ausgleich zumindest dort findet, wo industrielle Produktion nicht flexibilisiert werden kann.