Was die neue KI-Generation verändert

Große KI-Sprachmodelle wie ChatGPT wurden mithilfe von maschinellem Lernen mit extrem großen Mengen an Texten von Webseiten oder online verfügbaren Büchern trainiert. Auf diese Weise können sie komplexe Fragen ausführlich beantworten. Sprachassistenten, Textgeneratoren oder Übersetzungssysteme sind Beispiele für große Sprachmodelle. „Auch wenn die Systeme gelegentlich noch fehlerhafte Antworten geben oder Fragen nicht richtig verstehen – die technischen Erfolge, die hier erreicht wurden, sind phänomenal. Mit ihnen hat die KI-Forschung einen wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zu einer echten Künstlichen Intelligenz erreicht“, sagt Volker Tresp, Professor für Maschinelles Lernen an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Experten gehen davon aus, dass große Sprachmodelle in den nächsten Jahren den Umgang mit Information und Wissen in Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft wesentlich verändern werden. Sie können Suchmaschinen verbessern, Ärzten Vorschläge für die Diagnose und Behandlung von Krankheiten machen, Journalistinnen bei Recherchen unterstützen, Kundenanfragen beantworten oder Arbeitsverträge verfassen. Johannes Hoffart, Chief Technology Officer der AI Unit bei SAP, sieht gerade für Unternehmen großes Potenzial: „Was mich besonders begeistert: Große Sprachmodelle mit anderen Daten zu kombinieren, beispielsweise Datenbanken und Tabellen. So kann die Arbeit mit Geschäftsdaten im Arbeitsalltag weiter vereinfacht werden und digitale Assistenten werden Realität.“

Ethische und rechtliche Herausforderungen

Mit dem Einsatz von Sprachmodellen sind jedoch eine Vielzahl ethischer und rechtlicher Herausforderungen verbunden: Die Ergebnisse eines Sprachmodells könnten etwa Vorurteile in den zugrunde liegenden Daten übernehmen und sogar verstärken, so die Diskussionsteilnehmer. „Sprachmodelle werden der Gesellschaft den Spiegel vorhalten und – wie auch schon bei Social Media – verzerrend, aber eben doch entlarvend, gesellschaftliche Brüche und Spaltungen aufdecken und verstärken können“, sagt Peter Dabrock, Ethikprofessor der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Diskriminierung zu minimieren, sei eine der größten technischen sowie organisatorischen Aufgaben für die nahe Zukunft. Große Sprachmodelle können selbstständig Nachrichten verfassen, Untertitel zu Videobeiträgen erzeugen – oder missbräuchlich für Deep Fakes genutzt werden. Beim Einsatz in der Medienwelt gelte es zu berücksichtigen, inwieweit KI-Systeme die offene Meinungsbildung beeinflussen können, so die Experten. „Eine Demokratie-Simulation, die uns als Bürgerinnen und Bürger das Informieren, Reflektieren, Diskutieren, Mobilisieren und Mitbestimmen abnimmt, wäre das Ende von Selbstbestimmung und Mündigkeit in der Demokratie“, warnt Christoph Neuberger, Direktor des Weizenbaum-Instituts. Daher sei das Maßhalten beim Einsatz von großen Sprachmodellen das Gebot, das hier und in anderen Einsatzfeldern beachtet werden sollte. Die synthetischen Texte oder Bilder werfen auch rechtliche Fragen auf. Mangels schöpferischer Fähigkeiten komme eine KI-Urheberschaft nicht in Betracht, sagt Anne Lauber-Rönsberg, Rechtsprofessorin der Technischen Universität Dresden. „Wenn allerdings KI-Erzeugnisse zum Standard werden und gleichwertige menschliche Leistungen als alltäglich wahrgenommen werden, so wird dies dazu führen, dass die Originalitätsanforderungen, die für einen urheberrechtlichen Schutz erfüllt werden müssen, in der Rechtsprechungspraxis zunehmen werden.“

Verantwortungsvoller Umgang

Große Sprachmodelle und KI-Systeme im Allgemeinen müssen verantwortungsvoll entwickelt und eingesetzt werden. In sensiblen Bereichen werde es immer notwendig sein, dass der Mensch die Ergebnisse des Sprachmodells kontrolliert und letztlich eine Entscheidung fällt, so Volker Tresp. Die Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme empfehlen zudem etwa eine transparente Kennzeichnung von KI-Anwendungen sowie die Förderung von Talenten im KI-Bereich und eines kritischen Umgangs mit KI in der Bevölkerung. „Wenn wir Sprachmodelle für Anwendungen in und aus Europa nutzen wollen, brauchen wir außerdem europäische Sprachmodelle, die die hiesigen Sprachen beherrschen, die Bedürfnisse unserer Unternehmen und ethischen Anforderungen unserer Gesellschaft berücksichtigen“, sagt Tresp.

Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften

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