
Klettverschlüsse, Lotus-Effekt und Flugzeugflügel sind einige Beispiele, wie Bionik technische Aufgaben lösen kann. Denn die Natur bietet faszinierende Antworten auf alltägliche Herausforderungen. „Dabei ist sie meist sehr effizient“, unterstreicht Dr. Harald Kuolt, Leiter der Forschungsprojekte bei Schmalz. „Wir haben nach natürlichen Saugverfahren gesucht, um unsere eigenen Vakuumsysteme zu verbessern.“
Fündig wurde das Unternhemen bei Blutegeln. Sie besitzen mit ihren beiden Saugorganen am vorderen und hinteren Ende die Fähigkeit, sich an unterschiedlichen Oberflächen festzuhalten. Ob schleimig oder porös, ob unter oder über Wasser – aufgrund der Kombination aus Saughaftung und mechanischem Greifen beziehungsweise Verklammern können sie sich sicher an ihre Wirte heften. Zusammen mit der Universität Freiburg startete Schmalz ein Projekt, um die biologischen Haftungssysteme besser zu verstehen. „Wir untersuchten die Funktionsmorphologie und Biomechanik der Blutegel“, beschreibt Prof. Dr. Thomas Speck, Leiter der Arbeitsgruppe ‚Botanik – funktionelle Morphologie und Bionik‘ an der Uni Freiburg.
Nach manuellen Abzugsversuchen bauten die Forschenden rotierende Systeme und ermittelten, bei welcher Fliehkraft sich die Egel von der jeweiligen Oberfläche lösen. „Wir betraten Neuland und entwickelten hierfür spezielle Versuchsaufbauten, um die Haftkräfte der Blutegel zu messen“, schildert Speck. In einem aktuellen Forschungsvorhaben untersucht das Team die Anatomie des Saugorgans, das aus muskelgesteuerten Saug-, Abdicht- und Greiflippen besteht. „Das Verständnis von Form/Struktur/Funktions-Zusammenhang des Saugorgans ist essenziell für weiterführende Abstraktions- und Umsetzungsschritte für neue, bionisch verbesserte Systeme von Schmalz“, erklärt Dr. Simon Poppinga, Leiter der biologischen Grundlagenforschung am Modellorganismus an der TU Darmstadt.

Vom Aquarium in die Industrie
Harald Kuolt: „Unsere Vorentwicklung hat daraufhin einen Prototyp gefertigt, der sich von unserem Standardsortiment unterscheidet.“ Zum einen verläuft die Dichtlippe in eine andere Richtung als bei üblichen Saugern. Zum anderen passte Schmalz die Krümmungsradien an und kombinierte harte und weiche Materialien. „Wir konnten das Totvolumen reduzieren und damit deutlich schneller evakuieren“, freut sich der Forschungsleiter. „Unser Ziel ist, dass der neue Sauger in Bezug auf Halte- und Scherkräfte sowie Abdichtverhalten besser performt als übliche Modelle. Außerdem soll er sich industriell fertigen lassen.“ Und auch sein Carbon Footprint müsse sich an bisherigen Saugern messen.
Derzeit stehen zwei Varianten im Fokus, die Schmalz weiter verbessern will. Durch die kurzen Evakuierungszeiten sparen die neuen Modelle Energie ein. Sie dichten auf rauen Oberflächen besser ab und punkten durch hohe Standzeiten. Mithilfe der neuen Struktur der Dichtung sollen sie auch auf unebenen oder empfindlichen Oberflächen einen sicheren Halt gewährleisten. „Die Sauger müssen prozesssicher in Standardapplikationen funktionieren, wir wollen keine Lösung für wenige Spezialfälle entwickeln“, betont Kuolt.