
Inwieweit sind KI-basierte Robotiklösungen fit für die Praxis?
Sven Schmidt-Rohr, Artiminds Robotics: Die Praxisreife hängt vollkommen vom Autonomiegrad der Lösung ab. Einfache Copiloten als Unterstützer menschlicher Programmierer sind bereits serientauglich. Dagegen sind wir von, den ganzen Tag lang autonom handelnden humanoiden Robotern noch viele Jahrzehnte entfernt. Dazwischen wird sich der Weg schrittweise weiter in Richtung immer höherer Autonomie der Systeme bewegen. Industrielle Anwendungsdomänen sind jedoch in keinster Weise mit Webscale-Bild- oder Textdomänen zu vergleichen. Leider wird das aktuell zu oft und gerne vergessen.
Jens Riegger, Fruitcore Robotics: KI-basierte Robotiklösungen bieten großes Potenzial, befinden sich jedoch in vielen Bereichen noch in der Entwicklungs- und Testphase oder am Anfang ihrer praktischen Anwendung. Dennoch zeigen sich bereits deutliche Fortschritte, z.B. in der Steuerung und Effizienz von Robotern, wo KI zunehmend auch ihre Praxistauglichkeit unter Beweis stellt. KI-Algorithmen ermöglichen es Robotern, ihre Aufgaben heute effizienter und flexibler zu erledigen. Zudem verbessern KI-gestützte Steuerungen immer mehr Arbeitsprozesse und vereinfachen den Einsatz von Robotern in der Praxis.
Alexander Mühlens, Igus: KI-basierte Robotiklösungen haben jenseits der Bildverarbeitung beachtliche Fortschritte gemacht und sind in vielen Praxisfeldern bereits einsatzfähig. In der Logistik sorgen autonome Roboter für effizientere Lagerabläufe, während in der industriellen Fertigung präzise Aufgaben wie Schweißen und Montage übernommen werden. Mithilfe von KI können diese Systeme flexibel auf Umweltveränderungen reagieren und durch Erfahrungen lernen. Auch in der Sprachverarbeitung, z.B. bei Servicerobotern, zeigt sich ihr Potenzial. Herausforderungen bleiben allerdings bei komplexen, unvorhersehbaren Aufgaben und in der Sicherheit, die durch selbstentscheidende Roboter neu durchdacht werden muss.
Peter Pühringer, Stäubli: KI ist gerade dabei, die Robotik auf die nächste Stufe zu heben. Denken Sie nur an die bahnbrechenden Erfolge im Bereich der Humanoiden. Mithilfe von KI werden diese Roboter in naher Zukunft Menschen erheblich entlasten. Auch die Anwender klassischer Industrieroboter und wir als Hersteller profitieren von der rasanten KI-Entwicklung. Die Programmierung der Roboter – Stichwort No Code – wird durch generative KI in Zukunft zumindest bei einfacheren Applikationen keine Fachkenntnisse mehr erfordern. Alles in allem wird sich KI zu einem gewaltigen Booster für die Robotik entwickeln.
Anders Billesø Beck, Universal Robots: KI-Lösungen abseits der Bildverarbeitung sind praxisreif, wenn sie präzise, robust und zuverlässig arbeiten. Es gibt große Fortschritte in Bereichen wie Greifen, Kraftregelung und Bewegungsplanung, die zunehmend in realen Produktionsumgebungen zum Einsatz kommen. Besonders in Bereichen wie der Automatisierung von Logistikprozessen sind KI-basierte Robotiklösungen zudem heute schon vielfach in Anwendung. Cobots, die von KI gesteuert werden, sind in der Lage, komplexe Pick&Place-Aufgaben flexibel zu bewältigen, ohne aufwändige Programmierung oder spezialisierte Kenntnisse.
Forschen Sie aktiv mit in Richtung KI? Oder umfasst Ihr Angebot bereits KI-Features und -Lösungen für die Robotik?
Riegger, Fruitcore Robotics: Ja, wir investieren viel Zeit in die Entwicklung und Anwendung von KI in der Robotik und haben bereits Funktionen implementiert, die unseren Kunden echten Nutzen bieten. Dazu gehören der Support und die Programmierung mit dem AI Copilot, der es Anwendern ermöglicht, in Echtzeit mit dem Roboter zu kommunizieren und komplexe Aufgaben schnell zu lösen. Dadurch wird der Einsatz von Robotik nicht nur einfacher und effizienter, sondern auch zugänglicher für alle Anwender, unabhängig von ihrem Erfahrungsgrad.
Pühringer, Stäubli: Stäubli-Roboter sind bereits heute KI-ready. Das heißt, unsere Roboter verfügen über die erforderlichen Schnittstellen und können die für KI-Prozesse benötigten Daten in Echtzeit zur Verfügung stellen. Wir erfassen bei einem TX2-Sechsachser permanent rund 2.000 Daten, darunter Betriebstemperaturen in jeder Achse, Geschwindigkeits- und Beschleunigungswerte oder auftretende Momente. Diese Daten können zur Performanceüberwachung, für Predictive-Maintenance-Konzepte sowie für KI-Applikationen herangezogen werden. Zudem arbeitet Stäubli an der Entwicklung von selbstoptimierenden Systemen.
Billesø Beck, Universal Robots: Universal Robots befasst sich kontinuierlich mit der Weiterentwicklung von KI-Technologien und arbeitet dabei eng mit Partnern zusammen. Über unser UR+-Ökosystem bieten wir bereits zertifizierte KI-Lösungen an, die nahtlos in unsere Robotiksysteme integriert werden können und Anwendern echte Vorteile bringen. Ein Beispiel ist die Integration von Robobrain und Robobrain.eye von unserem Partner Robominds. Das KI-Feature kommt bereits jetzt in Cobots beim Palettieren oder der Beschickung von Maschinen zum Einsatz. Auch das KI-basierte Vision-System Mirai von unserem Partner Micropsi Industries wird bereits in Verbindung mit unseren Cobots genutzt und macht so Anwendungen möglich, mit denen viele Bildverarbeitungssysteme aufgrund hoher Komplexität nicht zuverlässig zurechtkommen.
Mühlens, Igus: Schon heute bieten wir Produkte mit KI-basierter Sprach- und Gestensteuerung an. So lässt sich Amazon Alexa direkt mit den Igus-Robotern verbinden oder über ROS 2 eine Gestensteuerung integrieren. Bewegungen von Robotern lassen sich dadurch in Zukunft spielend leicht festlegen. Zudem bieten wir ein kostengünstiges KI-Kamera-Set an. Damit ist eine intelligente Bauteilerkennung mit Lowcost-Kamera und Bildverarbeitung über ein neuronales Netzwerk machbar. Bereits 30 bis 50 Bilder zum Anlernen reichen aus, um von der Praline bis zur Platine alles zu erkennen.
Schmidt-Rohr, Artiminds Robotics: Tatsächlich enthalten sowohl unsere auf den letzten Robotikkonferenzen ICRA und IROS publizierten KI-Forschungen als auch unsere neusten Produktelemente ausgefeilte KI-Methoden. Wir konzentrieren uns dabei einerseits auf das Selbstlernen von Prozessparametern im Serienbetrieb und andererseits auf die möglichst automatische Erstellung vollständiger Anlagenprogramme zur Entwurfszeit. Langfristiges Ziel ist die völlige Selbstkonfiguration von Roboteranlagen an jedem Zeitpunkt ihres Lebenszyklus. Erst einmal werden jedoch noch menschliche Betreuer die Arbeitsergebnisse der KI absichern.
In welchen Bereichen der Robotik werden sich KI-Lösungen am schnellsten etablieren? In welchen Einsatzfeldern sehen Sie das meiste Potenzial?
Mühlens, Igus: KI-Lösungen werden sich am schnellsten in Bereichen wie Steuerung und Programmierung etablieren. KI ermöglicht z.B. intuitive Interaktionen durch Sprache oder Gesten, wie es das Robotik-Team von Igus erforscht. Ziel ist eine einfache, resiliente Programmierung für Jedermann, die nicht nur den Roboter steuert, sondern ganze Anwendungen verbessert. Die intuitive Bedienung senkt die Einstiegshürden für die Automatisierung und erhöht die Effizienz. Ein weiterer Treiber ist der Einsatz in humanoider Robotik dort spielt KI speziell in der Interaktion und Sicherheit eine wichtige Rolle.