„Mit wenigen Klicks zur professionellen Bildverarbeitung“

Zebra Technologies kommt ja ursprünglich aus dem Bereich Logistik. Wie kam es zu der neuen Produktreihe, die eher in die Automatisierungstechnik passt?

Rudolf Schambeck: Da unsere Kunden zunehmend in automatisierte Lösungen investieren, haben wir uns dazu entschieden, auch in eine der Schlüsseltechnologien zur Automatisierung zu investieren, nämlich die maschinelle Bildverarbeitung. Deshalb hat Zebra sein Produktportfolio erweitert und eine Serie neuer Smartkameras entwickelt. Somit können unsere Kunden alles, von der Barcode-Identifikation bis hin zu grundlegenden Bildverarbeitungsaufgaben, mit einem einzigen Plug&Play-System durchführen.

Wie kam es nun speziell zur industriellen Bildverarbeitung? Haben Sie hier ein Unternehmen zugekauft?

Schambeck: Nein, die Smartkameras, die wir jetzt am Start haben, wurden von Zebra selbst entwickelt, hardwaretechnisch ebenso wie die Software. Viele unserer großen strategischen Geschäftspartner haben schon länger gefragt, warum wir nicht auch stationäre industrielle Smartkamera-Systeme anbieten. Mit der Einführung von intelligenten Bildverarbeitungskameras und stationären Barcodescannern, die auf einer einheitlichen Softwareplattform basieren, kamen wir diesem Wunsch nun entgegen.

Wie lief denn die Entwicklung ab? Sie haben ja wohl nicht einfach ein Bussystem an einen mobilen Barcodescanner gelötet. So einfach kann es ja kaum sein, die Bildverarbeitungsbranche hat doch so ihre Eigenheiten. Es gibt Anforderungen an die Beleuchtung, an die Bandbreite und Rechenpower für die Weiterverarbeitung und mehr.

Schambeck: Nun, die Lösungen sind das Ergebnis von jahrelanger Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Hinzu kam das Anwerben neuer Talente mit umfassender Erfahrung im Bereich der Bildverarbeitung – auch aus den Übernahmen von Cortexica und Adaptive Vision – um sicherzustellen, dass wir die Bedürfnisse und hohen Erwartungen unserer Kunden und Partner erfüllen.

Wie sieht denn das aktuelle Produktportfolio aus? Welche Kameras haben Sie und für welche Einsatzbereiche sind die?

Schambeck: Unsere Smartkamera-Serie besteht aus nur einer Hardwareplattform, die mit nur einer Softwareplattform parametriert wird, und das ist durchaus eine Besonderheit. Unsere Kameras können entweder als einfacher stationärer Barcodescanner (FS), als komplexes Vision-System (VS) oder als Hybrid daraus parametriert werden. Hierfür haben wir unsere Zebra-Aurora-Software entwickelt.

Der FS/VS20 unterstützt Profinet und Ethernet/IP, kann also mit den gängigen Steuerungen kommunizieren. Der FS/VS40 bietet zudem eine integrierte und modulare Beleuchtung. Ich würde sagen, der FS/VS40 ist unser System, das die meisten Anwendungsfälle abdecken kann. Es ist ein echtes Plug&Play-Gerät: Einstecken und sich wohlfühlen. Es unterstützt alle gängigen Industrie-Kommunikationsprotokolle, aber auch USB-C, die integrierte Beleuchtung kann auch Multicolor und die Systeme haben Flüssiglinsen, sodass man mit der Auto-Tune-Funktion sehr schnell eine Applikation zum Laufen bekommt.

Aber weil die Fixbrennweite der Flüssiglinse den Bildausschnitt und die möglichen Abstände limitiert, haben wir mit dem FS/VS70 ein weiteres Gerät im Portfolio, das man mit C-Mount-Objektiven ausstatten kann. Damit hat man dann schon sehr viel Flexibilität.

Wie sieht es mit der Weiterverarbeitung der Daten aus? Bieten Sie auch passende Rechner an?

Schambeck: Die FS- und VS-Serien bestehen aus sogenannten smarten bzw. intelligenten Kameras. Das heißt, der Bildverarbeitungsprozessor ist in der Kamera integriert: Von der Aufnahme der Bilder über die Bild-Vorverarbeitung und die Bildauswertung bis hin zur Kommunikation macht die Kamera alles selbst. Man braucht lediglich einen Rechner, um die Parametrierung mit der Zebra-Aurora-Software vorzunehmen. Wenn die abgeschlossen ist, läuft die Kamera völlig autonom und gibt in der Applikation Signale wie „In Ordnung“ oder „Nicht in Ordnung“ aus. Die Systeme geben bei Bedarf auch 24-Volt-Signale aus, mit denen wir direkt z.B. Lampen ansteuern, oder ein Förderband anweisen können, zu stoppen.

Wie vertreiben Sie die Systeme? Über den Fachhandel?

Schambeck: Im Rahmen des so genannten Partner-Connect-Programms von Zebra gibt es eine neue, spezialisierte Vertriebsschiene für fokussierte Unternehmen im Bereich der industriellen Bildverarbeitung. Wir gehen mit diesen Produkten, im Gegensatz zu den Handscannern, aus gutem Grund nicht über die reine Distributionsschiene. Bei Handscannern ist der Weg über den Handel möglich, weil so gut wie keine Engineering-Leistung notwendig ist, um die Systeme zu integrieren. Bei den industriellen Vision-Systemen ist aber Expertise in der Auslegung und Integration entscheidend für den Erfolg. Deshalb arbeiten wir nur mit ausgewählten Partnern zusammen, die in der Lage sind, unsere Systeme entsprechend der Anforderung zu evaluieren und auch zu integrieren.

Vision-Sensoren und intelligente Kameras gibt es auch von anderen, spezialisierten Herstellern. Was können Sie besser und warum?

Schambeck: Eine legitime Frage, denn Stand heute bieten wir sicherlich ein ähnliches Portfolio wie einige andere. Ein Alleinstellungsmerkmal ist unsere Software. Nachdem wir ja nicht an irgendwelche Legacy-Produkte gebunden waren, konnten wir alles von Grund auf neu entwickeln. Wir haben großen Wert darauf gelegt, ein modernes Design zu bieten, bei dem man mit wenigen Klicks weit kommt. Interne Vergleiche mit anderen Tools haben uns gezeigt, dass wir etwa 30 Prozent weniger Klicks brauchen, um eine Applikation einzurichten. Uns ging es vor allem darum, auch Leuten, die keine professionellen Bildverarbeiter sind, die Möglichkeit zu geben, sich schnell und unkompliziert in dieses Thema einzuarbeiten.

Wichtig ist auch der Software-Upgrade-Pfad, den wir bieten, denn unsere Systeme können einfach upgegradet werden. Man kann sich also beispielsweise einen Barcodescanner kaufen, und wenn man im Laufe des Lebenszyklus der Maschine feststellt, dass man doch Machine-Vision-Tools braucht, kann man die Systeme leicht über Software-Upgrade-Lizenzen nachrüsten. Wir werden diesen Upgradepfad zukünftig auch dazu nutzen, um unseren Kunden beispielsweise neue Klassifizierungstools oder auf Deep Learning basierende OCR-Tools anzubieten. Heißt, Kunden müssen hierfür in keine neue Hardware investieren, sondern lediglich die entsprechende Upgrade-Lizenz kaufen.

Woher haben Sie das Software-Knowhow?

Schambeck: Wir haben im vergangenen Jahr die Firma Adaptive Vision übernommen, einen sehr innovativen Anbieter von grafischer Machine-Vision-Software für die Fertigungsindustrie und andere Branchen. Die haben nicht nur Tools und Algorithmen ins Unternehmen gebracht, mit denen erfahrene Anwender bei der Erstellung komplexer Vision-Anwendungen unterstützt werden, sondern auch Parametriersoftware, die es unerfahrenen Kunden ermöglicht, Anwendungen mit vollem Funktionsumfang ohne Programmierkenntnisse zu erstellen. Über das Engineering-Team von Adaptive Vision haben wir zusätzlich Deep-Learning-Expertise bekommen, um Unternehmen im Produktionsbereich einen weiteren Mehrwert zu bieten.

Wie geht es weiter? Was ist von Zebra in diesem Bereich in Zukunft zu erwarten?

Schambeck: Wir halten den Bereich Machine Vision für einen eindeutigen Zukunftsmarkt. Mit der Übernahme von Matrox Imaging und Adaptive Vision bieten wir unseren Kunden nun ein durchgängiges Produktportfolio von leicht zu integrierenden Smartkameras bis hin zu leistungsfähiger PC-Vision. Die Übernahme von Matrox Imaging erweiterte unser Portfolio und hilft uns dabei, die Anforderungen von Endkunden, OEMs und unserem wachsenden Ökosystem von Partnern für die industrielle Automatisierung auf der ganzen Welt zu treffen. Wir werden uns in der DACH-Region im nächsten Schritt auf den Ausbau unseres Partner-Connect-Programms konzentrieren, um unseren Kunden besseren Zugang zu unseren Produkten zu geben.

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