Paradebeispiel für die Smart Factory

Bild: Exor Deutschland GmbH

Die Smart Factory am Exor-Stammsitz bei Verona wurde 2020 zusammen mit dem langjährigen Partner Intel realisiert. Ziel ist es, Kunden vor Ort am Beispiel der eigenen HMI-Fertigung von den Features moderner IPC-Technik zu überzeugen. Gleichzeitig lassen sich aber auch die Einsatzmöglichkeiten der Corvina-Plattform ausgezeichnet aufzeigen. Dass mit Blick auf Industrie 4.0 und Co. ein möglichst hoher Automatisierungsgrad nicht zwingend der Weisheit letzter Schluss sein muss, macht die Exor-Fertigung ebenfalls deutlich. Denn weil die Losgrößen sehr stark variieren, bei der Produktivität aber keine Abstriche gemacht werden, ist dort besonders viel Flexibilität nötig. Die Basis bildet eine durchgängige Erfassung und Auswertung von Produkt- bzw. Prozessdaten über Corvina. Aufbauend auf diesem datengetriebenen Backbone und verteilt auf drei Fertigungsstufen realisiert Exor dann aus etwa 30 verschiedenen Platinen knapp einhundert standardisierte HMI-Module. Diese werden dann zu zwölfhundert verschiedenen Endprodukten veredelt.

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Hohe Testansprüche

Die erste Fertigungsstufe in der Smart Factory umfasst das Prüf-equipment, mit dem alle eingehenden Module bzw. Komponenten getestet werden, die Einfluss auf die Qualität der späteren Steuerungs- und Visualisierungslösungen haben. Dabei geht es vor allem um elektronische Platinen aber auch um Display-Module und verschiedene mechanische Komponenten. „Die bestückten Leiterplatten sind ja das schlagende Herz der späteren HMIs“, sagt Damiano Vendramini, Solution Architect für Corvina. „Da lassen wir natürlich keine Kompromisse zu.“ Deswegen entwickelt Exor die Platinen auch vollständig selbst. Bestückt werden sie in der Regel von Schwesterfirmen aus der Exor-Gruppe sowie von Drittlieferanten.

Ein wichtiger Aspekt dabei: Schon die Fertigungstechnik der Lieferanten ist in die Datenerfassung und Corvina eingebunden. „Die Dokumentation beginnt also bereits auf den SMD-Linien unserer Partner. „Damit erweitern wir die Rückverfolgbarkeit über die Grenzen unseres Werks hinaus“, erklärt Vendramini. Ebenfalls schon bei der Bestückung erhalten die Platinen einen individuellen QR-Code mit Geräte- und Seriennummer, über den sie nicht nur im Produktionsprozess, sondern auch in späteren Servicefällen eindeutig zuzuordnen sind. „Wir können jedes einzelne elektronische Bauteil auf Grundlage der gemeinsamen Corvina-Nutzung zurückverfolgen“, fährt Vendramini fort. „Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Qualität in der eigenen Fertigung sicher stellen, sondern auch die Zusammenarbeit mit Lieferanten kontinuierlich verbessern.“

Das Exor-eigene Testequipment ist auch komplett in Corvina integriert. Es wird automatisch erkannt, welches Platinen-Modell getestet werden soll und das dazu passende Programm gefahren. Mittelfristig will Exor möglichst viele in Corvina integrierte Prüfprozesse an die Lieferanten auslagern. „Es ist etwas paradox: Die kritischste Komponenten für unserer HMI-Lösungen bekommt dann eine Art Freikarte für die Montage – da sie ja bereits beim Zulieferer getestet wurde“, so der Solution Architect.

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Reifegrad 95 Prozent

Den dann frei werdenden Platz will Exor für seinen zweiten Produktionsbereich nutzten, der sich MTS (Made to Stock) nennt. Dort werden die HMIs nach dem Lean-Prinzip auf vier Linien mit bis zu sechs Arbeitsplätzen montiert. Jede Linie und jeder Arbeitsplatz wird über die IoT-Plattform mit exakt den Bauteilen versorgt, die für den jeweiligen Auftrag erforderlich sind. Darüber hinaus zeigt das System an jedem Arbeitsplatz exakt die Daten an, die der Mitarbeiter für den nächsten Montageschritt benötigt. Parallel passt sich automatisch das Drehmoment der Schrauber an das jeweiligen HMI-Modell an. Selbst die erforderliche Qualifikation auf Mitarbeiterseite gleicht Corvina ab. „Gleichzeitig bietet die IoT-Plattform das Gerüst für Mitarbeitende, um ihre eigenen Fähigkeiten und das Kompetenzniveau weiterzuentwickeln.“ Im Durchschnitt dauere es in der Montage zwischen vier und fünf Monaten, bis ein neuer Kollege alle nötigen Handgriffe beherrscht.

Am Ende der MTS-Fertigungslinien erreicht der Reifegrad der HMIs rund 95 Prozent. Diese Standardmodule sind an und für sich schon funktionsfähig und gehen direkt in den Langzeittest. Dort wird eine rechenintensive Anwendung simuliert, um herauszufinden, ob die Geräte dem späteren Praxiseinsatz in allen Ansprüchen wirklich gewachsen sind. Eventuelle Probleme fallen also auf, bevor mit der Anpassung für den Kunden begonnen wird. Alle zwei Minuten kommt dann ein fertig getestetes Roh-HMI aus der MTS-Bereich. „In Summe ergibt sich eine Kapazität von ungefähr eintausend Geräten am Tag“, lässt Vendramini durchblicken. „Diese Zahl wird durch die Möglichkeiten von Corvina immer weiter steigen.“

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Individualisierung

„Die individuelle Anpassung der HMIs, ist eine große Stärke von Exor“, betont Damiano Vendramini. Deshalb werden die letzten fünf Prozent der Wertschöpfung erst im dritten Teil der Fertigung generiert – dem sogenannten MTO-Bereich (Make to Order). Dort wird das standardisierte MTS-Halbfertigprodukt mit der Bestellung des Kunden abgeglichen und zu einem individuell zugeschnittenem Endprodukt verheiratet. Es werden z.B. alle optischen Details wie Firmen- oder Markenlogos appliziert. Auf Wunsch hinterlegt Exor auch digital das kundenspezifische Corporate Design. Der Hauptteil der Anpassung liegt laut Vendramini längst in der Software: „Im MTO-Bereich installieren wir die Firmware sowie bestellte Software-Features und aktivieren die vom Kunden gewünschten Protokolle.“ Das kann je nach Umfang schon mal bis zu einer Dreiviertelstunde pro Gerät in Anspruch nehmen. Natürlich kontrolliert Corvina hier ebenfalls, dass keine Fehler passieren. Auch bei Finalisierung der HMIs, bei Kommissionierung und Versand speichert die IoT-Plattform jeden Schritt mit Zeitstempel und Bedienercode. „Letztlich wird alles über die Daten gesteuert“, fährt Vendramini fort, „und so finden alle Verbesserungen genauso auf Grundlage der vorliegenden Daten und entsprechenden Analysen statt.“

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