Wie eine KI vom digitalen Zwilling lernt

Bild: SimPlan AG

In viele industrielle Anwendungen wird derzeit künstliche Intelligenz integriert. Sie soll Maschinen und Anlagen befähigen, selbständig Entscheidungen fällen und umsetzen zu können. Dazu muss die KI zunächst das Problem verstehen und eine passende Lösung erarbeiten. Zudem erfordert Intelligenz Wissen. Ohne das Wissen über die Zusammenhänge und Auswirkungen von Entscheidungen kann keine intelligente Lösung entstehen. KI muss also zunächst lernen, unter welchen Umständen welche Entscheidung zu einer passenden Lösung führt. Es gibt verschiedene Verfahren, um der KI diese Zusammenhänge beizubringen. Das sogenannte Reinforcement Learning ist eines davon. Die Idee dahinter ist es, dass eine KI durch Interaktion mit ihrer Umwelt lernt. Jede Aktion, die die KI auslöst, führt zu Konsequenzen in der Umwelt. Diese Konsequenzen werden über die Ausgangsdaten erfasst, aus denen die relevanten Kennzahlen herausgefiltert werden können. Indem definiert wird, welche Ausprägungen der Kennzahlen eher positiv oder negativ zu bewerten sind, ist eine Einordnung einer Aktion und somit eine Beurteilung einer Entscheidung möglich.

Bild: SimPlan AG

Zu langsam für die Industrie

Mit Blick auf den industriellen Alltag in einer Produktion wird deutlich, dass der Zeitbedarf für die Sammlung von Wissen zu groß wäre, um die KI-basierte Steuerung zu befähigen, gute Entscheidungen fällen zu können. Neben dem Reinforcement Learning muss es also auch Methoden geben, die der KI das erforderliche Wissen schneller vermitteln. In dem Forschungsprojekt Kispo haben sich die Mathematiker der Hochschule Darmstadt und die Simulationsspezialisten von Simplan das Ziel gesetzt, sowohl eine KI-basierte Steuerung als auch die dafür erforderliche Trainingsumgebung mit dem digitalen Zwilling einer Anlage zu entwickeln. In diesem Fall handelt es sich um eine Portalroboter-Steuerung der Firma Fibro Läpple Technology. Kispo steht für ‚KI-Methode zur Steuerung von digitalen Portalroboter-Zwillingen‘. Diese Steuerung soll z.B. bei der Herstellung von Komponenten für Windräder und Elektromotoren zum Einsatz kommen. Das Projekt wurde 2022 gestartet und wird vom Land Hessen über das Forschungsprogramm Loewe gefördert.

Die Produktion intelligent steuern

Aktuell wird ein Produktionsablauf nach starren Regeln gesteuert, die anfangs festgelegt und programmiert wurden. Bei Störungen wird manuell nachgesteuert, also umprogrammiert – was Zeit und Geld kostet. „Wenn in meiner Fabrikhalle beispielsweise eine Montagestation ausfällt, an der zwei rote Schrauben montiert werden, habe ich – Stand heute – ein Problem“, erläutert Mathematik-Professor Horst Zisgen, der früher bei IBM in der Forschung und Entwicklung tätig war: „Ein intelligentes System wäre in der Lage, eigenständig zu reagieren und den komplexen Produktionsprozess ohne Effizienzverluste umzusteuern.“ Dann bekäme beispielsweise die Produktion eines Bauteils ohne rote Schrauben zeitweise Priorität. Eine solche Steuerungssoftware für komplexe Anlagen ist bislang nicht auf dem Markt – ein Manko, das sowohl beim Branchenverband VDMA, als auch von wissenschaftlicher Seite beklagt wird. Eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft zum maschinellen Lernen kam 2018 zu dem Ergebnis, dass eine ’stärkere und schnellere anwendungsnahe Umsetzung von KI in konkrete Produkt-, Prozess- und Dienstleistungsinnovationen‘ nötig sei, um den Wirtschaftsstandort Deutschland auf Dauer konkurrenzfähig zu machen.

Flexibilisierte Produktion

Zisgen und seine Partner aus dem hessischen Hanau und dem baden-württembergischen Haßmersheim stoßen im Projekt in diese Lücke: „Die technologische Lösung, die wir anstreben, bietet klare Wettbewerbsvorteile: Die Produktion wird flexibler, Unternehmen können schneller auf Veränderungen am Markt und in den Lieferketten reagieren und dadurch effizienter und nachhaltiger wirtschaften,“ sagt Boris Bind, Leiter des Bereichs Engineering bei FLT. Die Software, an der das Konsortium arbeitet, wird in der Entwicklungsphase anhand von digitalen Zwillingen trainiert, die SimPlan entwickelt. „Wenn unser Software-Prototyp dann erstmals zum Einsatz kommt, ist das System bereits gut trainiert und kann schwierige Situationen meistern. In der praktischen Anwendung lernt es immer weiter dazu“, sagt Professor Sven Spieckermann, Vorstandssprecher der SimPlan AG.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert