NIS-2 einfach erklärt

Bild: Arvato Systems GmbH

Nur wenige Anforderungen von NIS-2 sind grundlegend neu. Zu den Neuerungen gehört vor allem zweierlei:

  • Ab Mitte Oktober 2024 müssen Unternehmen relevante Security-Vorfälle melden. Sind sie dazu nicht in der Lage oder lassen sie die Meldefrist verstreichen, drohen empfindliche Bußgelder.
  • Davon unberührt führt NIS-2 auch viele Einzelmaßnahmen, die Firmen bereits umsetzen, in ein Regelwerk zusammen.

Dennoch ergeben sich für Unternehmen zentrale Aspekte, welche die NIS-2 betont und auf die Unternehmen besonders achten sollten.

1. System-Inventur

Unternehmen müssen ihre Systeme vollständig inventarisieren und Assets professionell managen. Nur so können sie Cyber-Risiken verlässlich handhaben. Doch kennen Firmen ihre Unternehmenswerte? Und sind diese vor Missbrauch oder Diebstahl geschützt? In der Haus-Analogie gedacht: Wie oft verstaut die Mieterschaft Schätze auf dem Dachboden und verliert gänzlich den Überblick darüber, was sie eigentlich alles Wertvolles besitzt. Vergleichbar dazu ist womöglich der Quellcode einer geschäftskritischen Unternehmens-Software auf einem Speichergerät unterhalb eines Schreibtisches abgelegt – und damit vor unberechtigten Zugriffen nicht sicher. Eine umfassende Bestandsaufnahme ist also der erste Schritt.

2. System-Monitoring

Unternehmen müssen ihre Systeme auf Schwachstellen scannen und ein Vorgehen für deren Beseitigung definieren. Da sie früher oder später Opfer eines Cyber-Angriffs werden, benötigen sie Systeme zur Angriffserkennung (SzA). Zudem braucht es weitere Maßnahmen wie Pentesting, Security Audits, Log Monitoring und Compliance Monitoring. Vergleichbar ist diese Anforderung mit der notwendigen Installation von Rauchmeldern im Haus, die eine Art Frühwarnsystem darstellen – wenn auch nicht ohne Restrisiko. Die Batterie könnte leer oder der Rauchmelder defekt sein. Für Unternehmen heißt dies, dass trotz ergriffener Prevention- und Detection-Maßnahmen ein Hacker-Angriff unbemerkt bleiben kann.

3. Schadenserkennung

Unternehmen müssen Schwachstellen identifizieren, bewerten, priorisieren und beheben. Darum sind automatisierte Detection- und Response-Maßnahmen ebenso in den Kernprozessen von Unternehmen zu verankern wie das Patch Management. Ein typisches Problem: Ein Unternehmen mit komplexer IT-Systemlandschaft setzt für das Schwachstellenmanagement auf lokale Excel-Listen. Weil es aufgrund der Menge an Schwachstellen den Überblick verliert, dringen Hacker in die Unternehmens-IT ein. Zum Verständnis der Vergleich: Ist im Haus beispielsweise eine Fensterscheibe oder ein Schloss defekt, lässt sich dies leicht erkennen und beheben. Doch was, wenn in einem Gebäudekomplex gleich mehrere solcher Schwachstellen identifiziert werden? Dann gilt es, die Dringlichkeit der Reparaturmaßnahmen zu bewerten und verschiedene Handwerker bei der Schadensbehebung zu koordinieren.

Bis Oktober 2024 müssen die EU-Mitgliedsstaaten NIS2 in nationales Recht umsetzen.
Bis Oktober 2024 müssen die EU-Mitgliedsstaaten NIS2 in nationales Recht umsetzen.Bild: ©Konsta/stock.adobe.com

4. Sensibilisierung

Unternehmen benötigen zentrale Richtlinien und müssen Mitarbeitende und Geschäftsführung für Cyber-Gefahren sensibilisieren. Zudem ist neben Identity und Access Management auch Incident Management Pflicht. Ein mögliches Szenario: Weil Mitarbeitende oft unsichere Passwörter verwenden, sind ihre E-Mail-Konten in der Cloud nicht gesichert. Zugleich dürfen sie auf Geschäfts-Software zugreifen, ohne sich mit einem zweiten Faktor zu authentifizieren. Kriminelle gelangen dann über gehackte E-Mail-Konten in die Unternehmens-IT und breiten sich weiter aus. Sensibilisierung ist daher unverzichtbar, und Richtlinien verankern diese verbindlich für alle Beteiligten: So findet man eben auch in Hausordnungen Vorgaben, die es etwa untersagen, bei Unbekannten den Haustüröffner zu betätigen oder für Paketdienste Ablageorte innerhalb der Mieteinrichtung zu vereinbaren. Für die Unternehmens-IT bedeutet das: Mitarbeitende müssen den Umgang mit sensiblen Daten beherrschen. Es braucht Regeln für den Zugriff auf diese Daten. Und es muss überprüfbar sein, ob sie fehlerhaft sind.

5. Transparenz

Unternehmen müssen ihre Systeme mithilfe von Tools für Endpoint Detection and Response (EDR), Network Detection and Response (NDR) sowie Security Information and Event Management (SIEM) fortlaufend überwachen und bezüglich ihrer Sicherheitsrisiken bewerten. Das Problem: Unternehmen wissen oft nicht, welche Systeme ihre Mitarbeitenden einsetzen. Diese unbekannten oder ‚vergessenen‘ Tools sind im Scope nicht erfasst und werden darum weder auf Schwachstellen gescannt noch gepatcht. Daneben können ungewollte Abhängigkeiten entstehen, weil das Personal unautorisierte Systeme nutzt, um wichtige Prozesse zu managen. Im Treppenhaus kann beispielsweise ein unbedarft abgelegter Müllsack ein Brandrisiko für alle Bewohner darstellen, welches sich so auch nicht auf einen Blick abschätzen lässt.

6. Notfallpläne

Unternehmen müssen mit vorab definierten Response-Maßnahmen im Angriffsfall unmittelbar reagieren können. Sie sind dazu verpflichtet, sicherheitsrelevante Vorfälle in einem bestimmten Zeitfenster zu melden – einschließlich Zwischen- und Abschlussmeldungen. Diese Meldewege müssen vorbereitet, bekannt und implementiert sein. Sensible Assets gilt es speziell abzusichern. Zudem sollten Unternehmen Vorkehrungen für Notfälle und bestimmte Szenarien treffen, denn: Notfallplanung, Notfallmanagement und Pläne für die Wiederherstellung des Geschäftsbetriebs sind Pflicht. So ist etwa auszuschließen, dass hochsensible Daten auf mobilen Geräten der Mitarbeitenden existieren, sodass unbefugte Dritte bei Verlust oder Diebstahl Zugang zu den Daten erhalten und das Unternehmen so Opfer von Hackerangriffen oder Erpressungen wird. Ein Beispiel aus der Hausordnung: In Mehrfamilienhäusern und Firmengebäuden müssen alle Fluchtwege ausgewiesen, gekennzeichnet und stets ungehindert zugänglich sein. Auch der Verlust von Zentralschlüsseln ist immer direkt anzuzeigen.

7. Kommunikationswege

Es gilt, Verhaltensanweisungen für das Personal vorzubereiten und zu kommunizieren. Über Änderungen ist jederzeit zur informieren. Interaktive (Online-)Schulungen dienen dem Zweck, die Belegschaft zu trainieren und ihr Wissen regelmäßig aufzufrischen. Während es von der Hausverwaltung meist Aushänge, Briefe oder E-Mails mit wichtigen Handlungsanweisungen gibt, gilt für IT-Sicherheit in Unternehmen: Es braucht abgestimmte Kommunikations- und Notfallpläne, die allen zugänglich sind. Zudem sind notwendige Änderungen sorgfältig vorzubereiten, zu bewerten, mit risikominimierenden Maßnahmen zu unterlegen und zu dokumentieren. Und natürlich müssen sich im Notfall alle entsprechend verhalten. Hat etwa ein Security-Dienstleister für ein Unternehmen belastbare Notfallpläne ausgearbeitet, doch die Firma bespricht diese Strategien nicht mit dem Personal, kommt es bei einer Cyber-Attacke schnell zu Panik oder unbedachten Handlungen, die das Problem unter Umständen verschärfen. Man stelle sich vor was passiert, wenn die Bewohner eines Mietshauses beispielsweise nicht über die geplante Instandhaltung der Wasserleitungen mit Abschaltung aller Leitungen informiert werden.

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