Lebensmittel nachhaltiger produzieren

Bild: KUKA Deutschland GmbH

In einer Fabrikhalle von Enorm Biofactory, einer kommerziellen Insektenfarm, im Herzen Dänemarks, 50km südwestlich von Aarhus, ist Tag für Tag und fast rund um die Uhr ein buchstäblich bewegendes Schauspiel zu beobachten: Bald werden sich hier in unzähligen Kästen Millionen von Fliegenlarven durch ihr Futter fressen, während die Behältnisse beständig von leise vor sich hin surrenden Kuka Robotern in der Ausführung Hygienic Oil (HO) bewegt, gestapelt, geleert und gefüllt werden. Herzlich willkommen bei Enorm Biofactory, der größten und ersten kommerziellen Insektenfarm Skandinaviens!

Vielleicht gibt es Fabriken wie diese bald überall. Schließlich sind viele Expertinnen und Experten überzeugt, dass Insekten die Proteinquelle der Zukunft sind. Die Vereinten Nationen schätzen, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf etwa 9,7 Milliarden Menschen anwachsen wird. Da zudem in vielen Entwicklungsländern das durchschnittliche Einkommen steigen wird, ist mit einer starken Zunahme des Fleischkonsums und damit des Proteinbedarfs zu rechnen.

Angesichts des Klimawandels und immer knapper werdender Ressourcen steht damit fest, dass eine effektive Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Nahrungsmittelproduktion wichtiger denn je sind. Eine entscheidende Rolle könnte dabei die Schwarze Soldatenfliege spielen – und um die dreht sich bei Enorm alles.

Hier sind die Roboter jedem Menschen eine unverzichtbare Hilfe: "Da sind 50 Kilo Flüssignahrung drin, dann werden 70.000 Larven draufgekippt", erzählt Tange.
Hier sind die Roboter jedem Menschen eine unverzichtbare Hilfe: "Da sind 50 Kilo Flüssignahrung drin, dann werden 70.000 Larven draufgekippt", erzählt Tange.Bild: Kuka Deutschland GmbH

Aus 25kg Eiern werden 100t Larven – binnen zwölf Tagen

„Nur ein Gramm Eier der Schwarzen Soldatenfliege entspricht 30.000 Larven“, rechnet Carsten Lind Pedersen vor, CEO von Enorm. „Und diese nehmen so schnell an Gewicht zu, dass aus 25 Kilo Eiern 100 Tonnen Larven werden – innerhalb von nur zwölf Tagen! Das schafft kein anderes Tier.“

Auch Jane Lind Sam, COO von Enorm, betont das Potenzial des Insekts für eine nachhaltige Proteinproduktion: „Die Larven der Fliege können sich von fast allen organischen Stoffen ernähren. Deshalb können wir sie mit Abfallprodukten aus der dänischen Lebensmittelindustrie füttern, die anderweitig entsorgt worden wären – und machen aus ihnen hochwertiges Futterprotein für die Tierhaltung.“

Konkret stellt das Unternehmen aus den schnell wachsenden Larven zwei Produkte her: Insektenmehl als Ersatz für hochverdauliche Eiweißfuttermittel – etwa für Fische, Geflügel, Schweine und Haustiere. Und immunstimulierendes Insektenöl, das ebenfalls als Nahrungsergänzung für diverse Tiere eingesetzt werden kann. „Zutaten auf der Basis von Larven der Schwarzen Soldatenfliege, die verantwortungsvoll produziert werden, haben im Vergleich zu anderen tierischen Proteinquellen einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck“, sagt Pedersen. So sei die Insektenproduktion ein Paradebeispiel für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, bei der Umwelt und Klima kaum belastet würden: „Bei der Weiterverarbeitung werden die Larven lediglich getrocknet – das Einzige, was bei uns übrigbleibt, ist also Wasser.“ Außerdem werde ein Teil der Larven zur Produktion neuer Eier genutzt.

Nachhaltig und effizient, ist auch der Produktionsprozess selbst, der laut Pedersen zwei große Herausforderungen mit sich bringt: Einerseits bedürfe es in der Fabrik eines komplexen Belüftungssystems, denn im Prozess entstehe sehr viel Wärme. „Vor allem aber müssen wir sehr schnell, teilweise extrem schwere Behältnisse befüllen, leeren und stapeln“, sagt der CEO.

Hierfür Lösungen zu finden, war die Aufgabe von Rolf Tange und seinem Team. Tange ist CTO der Sealing System Group, einem der Anbieter von Verpackungs- und Palettierlösungen, und vertraut bereits seit Jahrzehnten auf die Technologien von Kuka. „Wir wussten, dass die flexiblen Hygienic-Oil-Roboter von Kuka perfekt sein würden für die Insektenfarm von Enorm“, sagt Tange. „Im ersten Stadium wachsen die Larven in kleineren, 30 bis 40 Zentimeter großen Kisten heran“, schildert er den Ablauf. Nach sieben Tagen werden sie dann umgefüllt in größere Kisten, die mehr als einen Quadratmeter messen. Und spätestens bei diesen sind die Roboter jedem Menschen eine unverzichtbare Hilfe: „Da sind 50 Kilo Flüssignahrung drin, dann werden 70.000 Larven draufgekippt“, erzählt Tange. „Das Gewicht würde nicht mal der fitteste Arbeiter schaffen!“

Kein Problem jedoch für die sechs KR Quantec PA HO von Kuka: Alle sieben Sekunden befüllen sie einen neuen Kasten, also 500 in der Stunde – und das 20 Stunden am Tag. In den verbleibenden vier Stunden wird die Anlage gereinigt. „Ohne die Roboter von Kuka wäre unsere Produktion nicht möglich“, sagt Pedersen. Zumal er sich zu hundert Prozent auf diese verlassen muss, denn der gesamte Ablauf ist minutengenau programmiert: „Wenn es bei einem der Roboter ein Problem gäbe, hätten wir nur zwei bis drei Minuten, um dieses zu lösen – ansonsten kommt der gesamte Prozess zum Erliegen. Aber das ist zum Glück noch nicht vorgekommen.“

Eine vollautomatisierte Anlage

Im Prinzip laufe die Anlage von selbst, erzählt Pedersen, denn der gesamte Prozess sei komplett automatisiert: „Tatsächlich benötigen wir eigentlich nur zwei Mitarbeitende, um alles zu steuern.“ Ihre Aufgabe beschränke sich weitgehend auf die Kontrolle der Systeme.

Dass die Anlage so zuverlässig läuft, ist auch der Arbeit des Systempartners Sealing System zu verdanken. „Wir haben für die Lebensmittelindustrie schon oft und erfolgreich mit Technologien von Kuka gearbeitet“, sagt Kim Kildahl Poulsen, Sales Manager bei XIO – Intelligent Farming, Sealing System Group. Besonders schätzt er das große Portfolio von Kuka im Segment der Hygienic-Oil-Roboter. Mit ihren speziellen H1-Schmierstoffen in allen Achsen erfüllen diese die hohen Anforderungen der Food-Industrie entlang der gesamten Prozesskette. Kommen die Schmierstoffe in Kontakt mit Lebensmitteln, ist dies für Mensch und Tier unbedenklich – so auch bei Enorm.

Trotz der Erfahrungen in der Lebensmittelindustrie war der Aufbau der Anlage bei Enorm auch für Sealing System ein Stück weit Neuland, wie Poulsen zugibt: „Bei einer Insektenfarm haben wir es mit lebender Materie zu tun. Das kannten wir so noch nicht.“ Da die Nahrung für die Larven zu 70 Prozent aus Wasser besteht, habe man es in der Fabrik z.B. mit einer extrem feuchten Umgebung zu tun – kein Problem für die eigens dafür konzipierten Roboter.

Wichtige Abläufe konnten vorab getestet werden – mit Visual Components. Das finnische, von Kuka akquirierte, Unternehmen hat sich auf Softwarelösungen für die 3D-Simulation in der Fabrikplanung spezialisiert. „Mit der Software von Visual Components haben wir simulieren können, in welcher Geschwindigkeit und in welchem Rhthmus sich die Roboter und Fördersysteme bewegen müssen. Das hat sehr geholfen.“ Als ebenso praktisch habe sich das Programmierkonzept Kuka.AppTech erwiesen, das eine effiziente und einfache Roboterprogrammierung in kürzester Zeit ermöglicht. Und so krabbeln die Larven und arbeiten die Roboter zuverlässig vor sich hin – und sorgen für eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert