Fernwartung in Pandemiezeiten

Mit intelligenten Werkzeugspannmitteln lassen sich hochgenaue Zerspanprozesse in Echtzeit zuverlässig überwachen und regeln.
Mit intelligenten Werkzeugspannmitteln lassen sich hochgenaue Zerspanprozesse in Echtzeit zuverlässig überwachen und regeln.
 In Pandemiezeiten stellte die Fernwartung für viele Maschinenhersteller den einzigen Weg dar, Service und Support aufrechtzuerhalten.
In Pandemiezeiten stellte die Fernwartung für viele Maschinenhersteller den einzigen Weg dar, Service und Support aufrechtzuerhalten. Bild: Röders GmbH

Pandemiezeiten haben manch digitaler Lösung deutlich Auftrieb gegeben. Videokonferenzen etwa mutierten zum unverzichtbaren Kommunikationsmittel und auch das Thema Fernwartung ploppte immer häufiger in Serviceportalen von Industrieunternehmen an sehr prominenter Stelle auf. Wenn der Servicetechniker coronabedingt nicht ausrücken darf, muss er eben irgendwie zugeschaltet werden. Je größer die zu erwartenden Folgen eines Maschinenausfalls gerieten, umso lauter wurden auch die Rufe nach schneller Hilfe. Dabei hatte der oft als Zukunftstechnologie gepriesene Remote-Service zumindest in den Werkzeugmaschinenfabriken bereits deutlich vor Corona Einzug gehalten. Viel wichtiger als die Verbreitung erscheint deshalb die Frage, was sich während der Pandemie getan hat und ob die inzwischen vertraute digitale Servicelösung gar die Bereitschaft für neue Kooperationen im Sinne von Industrie 4.0 beflügeln kann.

 Mit intelligenten Werkzeugspannmitteln lassen sich hochgenaue Zerspanprozesse in Echtzeit zuverlässig überwachen und regeln.
Mit intelligenten Werkzeugspannmitteln lassen sich hochgenaue Zerspanprozesse in Echtzeit zuverlässig überwachen und regeln.Bild: Schunk GmbH & Co. KG

Remote-Lösungen müssen einfach und unkompliziert sein

Nach Erfahrungen von Dr. Oliver Gossel, Prokurist und Vertriebsleiter Maschinenbau bei der Röders GmbH, Hersteller hochpräziser Fräs- und Schleifmaschinen, ist die Akzeptanz für Fernwartung im Kundenkreis groß, die meisten sehen das Thema sehr pragmatisch. „Die Fernwartung hilft, Zeit und Kosten zu sparen sowie Fehler zu beseitigen, ob diese nun von einer Fehlbedienung oder von einem Fehler in der Maschine verursacht wurden. In der Regel kann schnell und effizient geholfen werden.“ Gossel ist aber auch davon überzeugt, dass eine Remote-Lösung dafür möglichst unkompliziert und einfach in der Handhabung sein muss. „Wir können unsere eigene PC-basierte Steuerung, die sehr einfach in der Bedienung ist, effektiv und kostengünstig um eine Fernwartung mit klassischem System erweitern.“

Die Standardlösung werde von über 90 Prozent der Kundinnen und Kunden bevorzugt, sagt Gossel. Individuelle Lösungen, vorwiegend nachgefragt von Großunternehmen, seien zwar möglich, verlangten aber größeren Aufwand. Da werde in der Einrichtungsphase einer Maschine bereits alles genau dokumentiert und die nötige Einstellung in einer speziellen IT-Umgebung vorbereitet. So sei sichergestellt, dass im Ernstfall alles sofort funktioniere, sowohl beim Anwender oder der Anwenderin als auch im Service bei Röders.

Während Herstellerfirmen die Gunst der Stunde weitgehend nutzen, gibt es auf der anderen Seite nach wie vor Anwenderinnen und Anwender, die Vorbehalte gegenüber Fernwartungslösungen äußern. Das bestätigt auch Oliver Gossel, der seinen Kundenstamm grundsätzlich in drei Gruppen einordnet: „Die einen nutzen Standardlösungen, die anderen bevorzugen individuelle Systeme, die dritte und mit Abstand kleinste Gruppe lehnt das Thema kategorisch ab. Daran hat sich auch in Pandemiezeiten kaum etwas geändert.“

Sicherheitsbedenken ausräumen

Gerade im industriellen Umfeld gebe es eine besonders hohe Sensibilisierung für das Thema Datensicherheit, sagt Patrick Giezen, der darin mögliche Gründe für die Zurückhaltung sieht. Deshalb müssten hier klare Prioritäten gesetzt werden, um Unternehmen die Angst vor dem offenen Scheunentor zu nehmen. „Wir können beispielsweise Daten in unserer privaten Cloud-Infrastruktur verarbeiten, selbst wenn sich die Geräte in isolierten Netzwerken befinden und somit gar keine Bedrohung bestehen kann.“ Zusätzlich werden zahlreiche Sicherheitsfunktionen angeboten. Dazu gehören etwa Mehrfaktorauthentifizierung (das System fragt neben Benutzernamen und Kennwort nach zusätzlichen Identitätsnachweisen), Single-Sign-On (zentralisierter Service zur Nutzeridentifizierung), Active-Directory-Integration (Verzeichnisdienst für Zugriffsbeschränkungen auf bestimmte Objekte) oder eine allgemeine Zugriffsverwaltung.

Das Thema Datensicherheit steht auch im Fokus des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz. Im Rahmen des Forschungsprojekts Audio (Auditlösung für Machine-Learning-basierte, datengetriebene Dienstleistungen) wurde eine IT-Architektur aufgebaut, um Fernwartungen und andere Services im Produktionsumfeld fälschungssicher anbieten zu können. Dabei werden Prozess-, Produktions- oder Maschinendaten verschlüsselt und auf Netzwerkknoten (Datenspeichern) abgelegt. Die Plattform stellt dann den sicheren Datenaustausch her, während ein hinterlegter Datei-Fingerabdruck vor unentdeckter Manipulation schützt.

Nächste Entwicklungsstufe: Augmented Reality

AR könnte Maschinenbau-Unternehmen ermöglichen, die Inbetriebnahme einer Maschine oder Anlage komplett remote anbieten zu können. Dafür sprechen nicht nur Kosten- und Effizienzgründe. Es dürfte auch im Sinne des Klimaschutzes sein, wenn die Fachleute, die zur Inbetriebnahme womöglich nach Shanghai oder Buenos Aires gereist wären, per Fernzugriff, Video-/Audio-Verbindung und mit Einsatz von AR-Brillen vor Ort die Partner anleiten und betreuen könnten.

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