Das Klima in der Fahrgastzelle

Bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen nehmen Aspekte wie Klimatisierung und Klimakomfort mehr Raum ein.
Bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen nehmen Aspekte wie Klimatisierung und Klimakomfort mehr Raum ein.
Bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen nehmen Aspekte wie Klimatisierung und Klimakomfort mehr Raum ein.
Bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen nehmen Aspekte wie Klimatisierung und Klimakomfort mehr Raum ein.Bild: ©humonia/istockphoto.com

Laut des LeasePlan Mobility Insights Report vom Februar 2021, bei dem insgesamt rund 5.400 Personen aus 21 europäischen Ländern sowie den USA interviewt wurden, gaben 34 Prozent der Teilnehmenden an, die begrenzte Reichweite schmälere ihr Interesse an einem Elektroauto. In Portugal und Deutschland leiden sogar mehr als sechs von zehn Befragten unter der sogenannten Reichweitenangst in Bezug auf die Elektromobilität. Während beim konventionell angetriebenen Fahrzeug in der Regel alle elektrischen Verbraucher über die Lichtmaschine oder, wie die Klimaanlage, direkt vom Verbrennungsmotor betrieben werden und die Reichweite einer Tankfüllung somit meist nicht merklich verringern, versorgt das E-Auto alle Funktionen – von der Beschleunigung bis zum Bord-Infotainment – aus derselben Energiequelle. Daher ist es für die Elektromobilität essentiell, die Thermomanagementsysteme im Fahrzeug so effizient wie möglich zu gestalten, um die mögliche Reichweite zu maximieren.

Autohersteller entdecken den thermischen Komfort in der Fahrzeugkabine als 
Differenzierungsmerkmal am Markt.
Autohersteller entdecken den thermischen Komfort in der Fahrzeugkabine als Differenzierungsmerkmal am Markt.Bild: ©hiphotos35/istockphoto.com

Simulation statt Testfahrt

Die Virtualisierung wird in der Thermomanagemententwicklung bereits eingesetzt. Doch noch hängt ein Großteil der Feinabstimmung einer Innenraumklimatisierung von Empfindungen der beteiligten Applikateure ab, die sich nur bedingt auf objektive Messergebnisse stützen können. Auch die Applikationsfahrten liefern vor allem subjektive Ergebnisse und können zudem erst spät im Entwicklungsprozess stattfinden, wenn weite Teile der Hard- und Software bereits integriert wurden. Zudem sind bei diesen Tests zahlreiche Lastszenarien in unterschiedlichen Klimaumgebungen abzufahren. Die Erprobungsreisen an Orten wie Südafrika und dem Death Valley mit Versuchsfahrzeugen und Personal kosten viel Zeit und Geld. Um Komfortanforderungen wirtschaftlicher umzusetzen, könnten Klimatisierung und Klimakomfort künftig verstärkt auf Basis dynamischer Modelle und Simulationen entstehen.

Der bei ARRK entwickelte Dummy ist mit 31 gleichmäßig über den Körper verteilten Sensoren zur 
Messung der Lufttemperatur und -feuchte, der lang- und kurzwelligen Strahlung sowie der Windgeschwindigkeit ausgestattet.
Der bei ARRK entwickelte Dummy ist mit 31 gleichmäßig über den Körper verteilten Sensoren zur Messung der Lufttemperatur und -feuchte, der lang- und kurzwelligen Strahlung sowie der Windgeschwindigkeit ausgestattet. Bild: ARRK Engineering GmbH

Prozess entsteht

Bei ARRK Engineering ist ein allgemeiner Entwicklungsprozess entstanden, der die Schritte der Klimakomfortentwicklung berücksichtigt: angefangen bei Benchmarkuntersuchungen über die Auslegung der Kreisläufe sowie der Funktions- und Komfortauslegung der Kabinenklimatisierung mit Entwicklung der Klimaregelungsstrategie bis hin zur Optimierung und Validierung. Der Fokus der Arbeiten an dem Prozess liegt auf der Frage, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um die angestrebte Virtualisierung umsetzen zu können, und welche Bausteine in der Simulation noch detaillierter erarbeitet werden müssen.

Dynamik in der Fahrgastzelle

Um bestehende Lücken zu schließen, sind die Ingenieure derzeit dabei, unterschiedliche Modelle zur Abbildung aller beteiligten Faktoren zu erarbeiten. Hierzu zählt die Modellierung der HVAC-Komponente, die das Kernbauteil für die Regelung der Luftkonditionierung und -zuführung in der Fahrzeugkabine ist. Der Schwerpunkt hierbei liegt zum einen auf der Abbildung des thermischen Verhaltens des HVAC zur transienten Ermittlung der Ein- und Austrittstemperaturen der Kabinenluft. Zum anderen liegt er auf der Abbildung des hydraulischen Verhaltens des HVAC, um eine Aussage über die Luftverteilung in den einzelnen Kanälen in Abhängigkeit der individuellen Klappenstellungen im HVAC zu erhalten und damit die Luftverteilung im Fahrzeuginnenraum abbilden zu können. Um die hierfür benötigten Informationen zu ermitteln, wird das HVAC-Modul in Prüfstandsaufbauten vermessen. Um die Hardware-Messungen auf die Simulation zu übertragen, ist darüber hinaus ein detailliertes Modell der Fahrzeugkabine und des Insassen notwendig, welches mit der ARRK-eigenen Simulationssoftware Theseus-FE erstellt wird. Zur Abbildung der Insassen umfasst das Tool ein Menschmodell auf Basis des Fiala-Insassenmodells. Es imitiert die für den Luft- und Wärmeaustausch relevanten menschlichen Körperfunktionen wie Atmung, Blutkreislauf, Schwitzen sowie Kältezittern und berücksichtigt unterschiedliche Bekleidungssituationen. Um detaillierte Randbedingungen an allen Körperteilen für thermische Komfortaussagen mit dem Menschmodell bereitstellen zu können, ermöglicht das Tool mit dem neuentwickelten Pseudo-3D-Ansatz eine sehr feine und automatisierte Diskretisierung des Gesamtluftvolumens in einzelne Luftzonen. Darüber hinaus wird die Simulationsgeschwindigkeit durch den Ansatz erhöht, was für die hochdynamischen transienten Simulationen unerlässlich ist. Innerhalb der Luftzonen können jeweils detaillierte Aussagen über die Luftgeschwindigkeit, -temperatur und -feuchte sowie über die lang- und kurzwellige Strahlung gemacht werden. Selbstverständlich werden bei Sommerlastfällen die Sonnenposition und die dadurch angestrahlten oder abgeschatteten Bereiche in Abhängigkeit von der Fahrzeug- und Scheibengeometrie sowie der Fahrzeugausrichtung automatisch ermittelt. Da sich die Luft- und die Oberflächentemperaturen gegenseitig beeinflussen, betrachtet Theseus-FE Strahlungs-, Strömungs- und Wärmeleitungsprozesse an einem definierten Bauteil als gekoppeltes System.

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