Enterprise Resource Planning in der Kunststoffindustrie

Bild: Cosmo Consult SSC GmbH

Die Kunststoffverarbeitung erfordert neben Chargen- und Diskreter Fertigung oft auch die auftragsbezogene Herstellung. In diesem Schmelztiegel treffen Anforderungen wie auftragsbezogene Stücklisten, Konstruktion und Produktdaten gemäß unterschiedlicher Zeichnungsstände, Rezept- und Chargenverwaltung oder Rückverfolgbarkeit aufeinander. Dies stellt besondere Anforderungen an IT-Systeme, die nicht nur für Auftrags- oder Batch-Fertigung ausgelegt sein sollten. Hinzu kommen unterschiedliche Fertigungsverfahren innerhalb der Branche – je nachdem, ob es um Spritzguss, Extrusion oder Additive Fertigung geht. Weitere Herausforderungen ergeben sich etwa durch den verwendeten Rohstoff, wie beispielsweise Polymere oder Elastomere. Hier kommen z.B. gesetzliche Regulierungen rund um PFAS und Nachhaltigkeit, Recycling und Kreislaufwirtschaft, oder traditionelle Vorgaben wie Gefahrstoffverordnungen ins Spiel. Auch Recycling, Up- und Down-Cycling sind mit Herausforderungen für die Geschäftsprozesse im ERP-System verbunden. Ein typisches Problem bei der Batchfertigung besteht etwa darin, eine gleichbleibende Qualität sowohl beim eingesetzten Material als im Produktionsprozess zu gewährleisten. Auch der Zustand der Werkzeuge ist ein wesentliches Kriterium für die Qualität der Produkte und die Effizienz der Fertigung. Das Thema Wartung ist im gesamten Kunststoffbereich zentral, denn oft werden im Mehrschichtbetrieb Aufträge über mehrere Tage 24/7 abgearbeitet.

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Was der ERP-Standard leistet

Ein ERP-System muss viele dieser Herausforderungen adressieren. Es ist für den Werte- und Materialfluss zuständig, macht Finanzströme durch Reporting transparent und organisiert Beschaffung, Lagerhaltung, Logistik und den Vertriebsprozess. Einige Systeme decken auch Produktionsthemen rund um Serienfertigung, Projektabwicklung, sowie die Abwicklung von Serviceaufträgen ab. Im Vergleich zu anderen Industrien sind die Werkzeuge in der Kunststoffindustrie jedoch ein limitierender Faktor. Denn oft werden die Produkte – und im Spritzguss damit auch die Werkzeuge – individuell für einen Kunden entwickelt. Die Anpassung an Kundenwünsche erfordert daher vom ERP-System einen unterstützten Engineering-Ansatz – von der Angebotsgestaltung, einschließlich Machbarkeitsbeurteilung, bis zur Berücksichtigung in Konstruktion und Herstellung. Dazu zählt auch ein durchgängiges Änderungsmanagement mit Versionsverwaltung.

Zu den klassischen ERP-Kernfunktionalitäten gehört die Beschaffung. Systeme sollten hier Global Sourcing unterstützen und neben tagesaktuellen Notierungen auch Rahmenvereinbarungen berücksichtigen. So werden etwa im Kunststoffbereich einige Polymere als Commodities gehandelt. Damit sind Kontrakte verbunden, die eine Preisbindung über einen bestimmten Zeitraum definieren. Diese Kontrakte sollten in die Kalkulation von Kosten und Preisen einfließen. Zudem sollte die Kalkulation von Angeboten bis hin zur Nachkalkulation über alle Stadien des Produktlebenszyklus vergleichbar, aber auch gemäß der sich immer wieder verändernden Betrachtungen anpassbar sein. Diese Funktionalität bilden nicht alle ERP-Systeme ab. Ähnliches gilt für Themen wie integrierte Qualitätskontrolle, Lieferantenbewertung oder Rezepturverwaltung.

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Über den Standard hinaus

Hier helfen Branchenspezifische ERP-Systeme: So beinhaltet etwa Microsoft Business Central keine Funktionen für Qualitätskontrolle und -sicherung, die Material und Produkte zu jedem Zeitpunkt begleitet. Diese Funktion kann jedoch durch eine Branchenlösung ergänzt werden. Mit Blick auf die Werkzeugthematik berücksichtigt ein branchenspezifisches System idealerweise neben einer Werkzeugverwaltung auch Aspekte wie Kavitäten und Zyklen für die Durchlaufzeiten. Das gleiche gilt für die nutzungsabhängige Wartung oder komplexe Szenarien beim Rüsten. Zudem muss die Weiterverwendung von Ausschuss, Angüssen oder Abschnitten (und damit verbundene Qualitätsthemen) abgebildet werden.

In der Produktion kann Branchenfunktionalität die benötigten Planungsmethoden einbringen, wie eine Reihenfolgeplanung, die auftragsindividuelle oder anlagenabhängige Kriterien priorisiert. Dazu gehört etwa, rüstoptimal zu arbeiten oder Wartungsthematiken und ablaufbedingte Stillstände einzubeziehen. Eine im ERP-System integrierte Ressourceneinsatzplanung sorgt für Transparenz und zeigt Engpässe auf. So wird nicht nur die Schichtplanung für das Personal vereinfacht, sondern die Werkzeuge werden unter Berücksichtigung ihrer Verfügbarkeit zugeordnet.

Individualität durch die Cloud?

Jenseits von Standard- und Branchenfunktionalität gibt es dennoch Prozesse, die individuell ausgelegt sein sollten. Das ist etwa bei der Anbindung von Anlagen an das ERP-System der Fall: Etwa, um IoT- und KI-Daten an der richtigen Stelle im Prozess verfügbar zu machen, beispielsweise um die Ausbringmenge aus dem Extruder direkt ans ERP zurückzumelden. Die Vernetzung auf der Cloud-Plattform kann die Umsetzung von IoT-Anbindungen oder KI-Analytik vereinfachen, da hier alle Anwendungen und Daten auf einer Plattform einschließlich Funktionen Datensicherheit und Datenschutz integriert sind. Das ERP ist dabei in ein breit aufgestelltes Ökosystem mit vorgefertigten und ergänzenden Services eingebunden. Sie können ausprobiert und in Eigenregie angebunden werden.

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