Abschauen? Ging nicht!

Bild: TeDo Verlag GmbH

Der neue Spirit

Trotz dieser prinzipiell guten Voraussetzungen fand sich Exor im Jahr 2012 in der nächsten schwierigen Situation wieder. In einer Krise, die das Unternehmen nachhaltig prägte. Denn in Folge der Finanzkrise war die Kostenstruktur so weit angewachsen, dass ein harter Cut erforderlich wurde. Die pragmatische Lösung wäre damals gewesen, 20 Prozent der Belegschaft vor die Tür zu setzen. Doch Pace hatte eine andere Idee: War es möglich, durchgängig durch alle Abteilungen und Hierarchien die Gehälter um 20 Prozent herunterzufahren? Ein ungewöhnlicher Schritt. Für den letztlich aber doch alle Mitarbeiter ihre Zustimmung gaben. Noch ungewöhnlicher ist es laut dem CEO, wie stark im Anschluss dieser Entscheidung das Engagement in der Belegschaft wuchs. Die komplette Mannschaft gab ihr Bestes, um das Unternehmen wieder auf die Spur zu bekommen. Schon anderthalb Jahre später hatte sich dadurch die Situation normalisiert, einschließlich aller Gehälter. „Die besondere Atmosphäre bei Exor und der Zusammenhalt im Team sind aber bis heute – zwölf Jahre später – zu spüren“, betont Pace. „Zudem ist es seitdem stets gelungen, die nächsten Wachstumsschritte des Unternehmens deutlich vor dem geplanten Zeitpunkt zu erreichen.“ Das hat Exor auch in den Augen von Partnern und Kunden so attraktiv gemacht, dass sich mehrere von ihnen als Investoren beteiligten.

Die neue Cloudlösung

In der schwierigen Phase 2012 fiel bei Exor eine weitere weitreichende Entscheidung: Nämlich für die Entwicklung eines eigenen Cloud-Ökosystems. „Uns wurde klar, dass wir früher oder später um das industrielle IoT – als Ergänzung zu den HMIs und unseren Tools – nicht mehr herumkommen würden“, sagt Pace. „Im Endeffekt war Corvina als Lösung für standortunabhängiges Visualisieren und Monitoren nur der nächste logische Schritt in unserem Selbstverständnis. Es lautet seitdem: Wir haben die Daten und bringen sie dorthin, wo sie benötigt werden. In diesem Entwicklungsschritt lag wiederum die Basis dafür, den Umsatz auf die heutigen 90 Millionen Euro steigern zu können.“ Ähnlich wie bei JMobile, gab es jedoch noch keine Branchenlösungen, von denen man sich inspirieren lassen konnte. „Abschauen? Ging wieder nicht“, sagt Pace mit einem Augenzwinkern. Stattdessen investierte man wieder großen Aufwand in die Eigenentwicklung.

Mittlerweile ist Corvina ein eigenes Tochterunternehmen von Exor mit den nötigen Freiheiten, um sich weiterzuentwickeln. Man positioniert sich nicht mehr nur als Cloudanbieter, sondern als Solution Provider. „Unter dem Dach der Holding ergänzen sich Exor und Corvina wunderbar“, fährt der CEO fort. „Als Einheiten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit: Während Exor als Ausrüster des Maschinenbaus langfristig denkt, passt sich Corvina umgehend an veränderte Marktgegebenheiten an.“ Im Schulterschluss ist es Exor gelungen, sich breiter entlang der Wertschöpfungskette aufzustellen und das Kundenspektrum zu erweitern. Denn mit Corvina zielt man über den Maschinen- und Anlagenbau hinaus auch auf die Endanwender. Schließlich spielt das Cloud-Ökosystem viele Vorteile erst im Betrieb der Maschinen bzw. bei deren Integration in die jeweilige Fertigungsstruktur aus. Der Endanwender erhält einen tieferen Einblick in die Effizienz, Zuverlässigkeit oder Produktivität und kann Prozesspermanent monitoren. Darauf aufbauend ist er in der Lage Parameter zu ändern oder Maßnahmen einzuleiten, und das Ergebnis direkt mit den vorhergehenden Einstellungen abzugleichen. „Diese Möglichkeiten sind ein Door-opener für Exor“, versichert Pace. „Die Exor-Produkte bilden eine zuverlässige Hardware-Basis, damit die IoT-Lösung läuft. Corvina bezieht dann aber das gesamte Fertigungsumfeld des Anwenders mit ein. Alle denkbaren Datenquellen lassen sich unabhängig integrieren.“

Die neue Smart Factory

Das Potenzial von Corvina belegt Exor mit seiner eigenen Smart Factory am Stammsitz bei Verona. Sie wurde 2020 zusammen mit dem langjährigen Partner Intel realisiert. Ziel ist es, Kunden vor Ort am Beispiel der eigenen HMI-Fertigung von den Features moderner IPC-Technik zu überzeugen. Gleichzeitig hat sich Exor auf diese Weise für die nächsten Wachstumsschritte ausgerichtet: „Wir haben vor zwei Jahren 140.000 HMIs hergestellt“, gewährt Giuseppe Pace Einblick. „Letztes Jahr waren es 30 Prozent mehr, also 200.000. Diese Zahl mag nicht sonderlich spektakulär klingen. Sofern man davon ausgeht, dass wir Losgrößen von 1.000 Geräten und mehr produzieren. Dem ist aber mitnichten so. Eine typischer Auftrag bei Exor umfasst oft gerade einmal zehn HMIs.“ Um diese Flexibilität zu gewährleisten, analysiert und verbessert Exor die eigene Produktion regelmäßig anhand zahlreicher Corvina-Reports. Die gesammelten Daten erlauben zudem detaillierte Rückschlüsse über jedes einzelne produzierte HMI, was wiederum auf die Qualitätssicherung einzahlt. „Da unsere Produkte in der Anwendung zehn Jahre und mehr fehlerfrei laufen müssen, machen wir bei der Qualität keine Abstriche“, unterstreicht der CEO. „Das ist für Exor nach wie vor ein sehr wichtiger USP, den unsere Kunden zu schätzen wissen.“

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