Bedienung unter Glas

Ein durchdachtes Design kennzeichnet auch die Produktionshallen des Maschinenbauers am Hauptsitz in Schramberg-Waldmössingen.
Ein durchdachtes Design kennzeichnet auch die Produktionshallen des Maschinenbauers am Hauptsitz in Schramberg-Waldmössingen.
Bild: KEBA Industrial Automation GmbH

Die Produktpalette des Maschinenbauers SW mit rund 1.400 Mitarbeitenden reicht vom mehrspindligen CNC-Bearbeitungszentrum mit modular aufgebauter Automation, über autarke Fertigungszellen, bis hin zu kompletten Fertigungssystemen und damit verknüpften Softwarelösungen. Das Maschinenportfolio umfasst sowohl Einplatzmaschinen für die Bearbeitung komplexer, großvolumiger Werkstücke als auch Zweiplatzmaschinen für die hochpräzise Bearbeitung filigraner Komponenten. Der Einsatz eines Doppelschwenkträgers ermöglicht das hauptzeitparallele Be- und Entladen für reduzierte Nebenzeiten und eine höhere Produktivität. Die patentierte Monoblockbauweise gewährleistet für alle SW-Maschinen eine hohe Steifigkeit. Dabei setzt das Unternehmen neben Kugelgewindeantrieben auch auf Linearmotorantriebe, die in den hoch performanten Bearbeitungszentren weltweit zum Einsatz kommen. Durch den Kauf der Firma Bartsch vor einigen Jahren entstand die SW Automation – was dem Unternehmen erlaubt, komplette Fertigungssysteme anzubieten.

Der Umstieg bzw. Trend weg von Verbrenner-Motoren in Richtung E-Antriebe ist für SW durchweg positiv. Da das Unternehmen kaum Kunden hat, die reine Motorenteile produzieren, können sie beide Bereiche sehr gut abdecken. Der Trend zu E-Mobility hat das Geschäft von SW beflügelt – die größten Neukunden sind diesem Segment zuzuordnen. Das Unternehmen erzielt seinen Umsatz zu einem Großteil mit Aufträgen aus dem Automotive-Umfeld mit Fokus auf PKW und verbucht seit einigen Jahren ein jährliches Wachstum von über 20 Prozent.

 In enger Zusammenarbeit mit dem HMI-Spezialisten Keba entwickelte SW ein neues Konzept für die Maschinenbedienung unter Glas.
In enger Zusammenarbeit mit dem HMI-Spezialisten Keba entwickelte SW ein neues Konzept für die Maschinenbedienung unter Glas.Bild: Keba Industrial Automation GmbH

Intensive Marktrecherche

„Wir wollten bezüglich Maschinenbedienung ganz neue Wege gehen, auch unter der Prämisse, dass es Gegenwind von manchen Anwendern geben könnte. Was wir vorhatten, war ein echter Bruch: Wir wollten die gesamte Bedienung unter Glas bringen“, erzählt Peter Siegel, Projektleiter Entwicklung, auf die Frage nach dem Start der Zusammenarbeit mit Keba. Es folgte eine intensive Marktrecherche dahingehend, was dem Stand der Technik entsprach und welche Anbieter welche Technologien im Portfolio hatten oder gerade entwickelten. Die Latte lag besonders hoch. Siegel: „Beim bestehenden Lieferanten hätten wir nicht entwickeln, sondern nur projektieren können, sprich, in ihrem Framework lediglich die verfügbare Funktionalität nutzen, welche leider die Usability sehr eingeschränkt hätte.“ Um diese nachzubilden, wäre eine aufwändige OEM-Programmierung erforderlich geworden, was die Steuerungsressourcen unberechenbar beeinflusst hätte. Siegel weiter: „Erfahrung bzgl. Touch-Anwendungen im Schmutzbereich waren ebenfalls eine Grundvoraussetzung für SW, welche Keba bereits aus anderen Projekten erfolgreich vorweisen konnte.“

Moritz Ragg, Teamleiter User Interface Development bei SW: „Keba hatte eine konkrete Vorstellung und auch das bessere Konzept. Unser Ziel: möglichst viel in Software abzubilden, damit wir auf den Kunden möglichst flexibel reagieren und ihn so bei der Bedienung unterstützen können, indem beispielsweise in der jeweiligen Bediensituation nicht benötigte Inhalte ausgeblendet werden, natürlich unter Einhaltung der normativen Vorgaben.“

 Ein durchdachtes Design kennzeichnet auch die Produktionshallen des Maschinenbauers am Hauptsitz in Schramberg-Waldmössingen.
Ein durchdachtes Design kennzeichnet auch die Produktionshallen des Maschinenbauers am Hauptsitz in Schramberg-Waldmössingen. Bild: Keba Industrial Automation GmbH

Dreh-Drückknopf mit Force Feedback

Ausschlaggebend bei der Entscheidung waren das Keba KeWheel und der Force-Feedback-Ansatz. Beim KeWheel handelt es sich um einen volladaptiven Dreh-Drückknopf als zentrales Bedienelement. Damit lassen sich Overrides, Handräder, Betriebsartenwahlschalter, Achsverfahrtasten und User Interface Eingabemöglichkeiten in einem Gerät vereinen. Das KeWheel lässt den Bediener über ein breites Spektrum an haptischem Feedback zusätzliche Information über den Maschinenzustand erfühlen.

Das Force Feedback half dem Maschinenbauer bei der Herausforderung, alles unter Glas zu bringen, vor allem bei den Hürden zum Thema Sicherheit. Ragg: „Da unsere Remote-Service-Lösung auch auf die Bedienoberfläche zugreift und man unabhängig davon bei touch-basierten Systemen einfacher Fehlbedienungen auslösen kann, benötigen wir eine technische Absicherung, die zum Beispiel das Bewegen von Achsen nur bei einer bewussten Bedienhandlung durch Überschreiten eines Kraftpunktes während der Betätigung erlaubt.“ Auch diese Funktion wollte SW unter Glas abgebildet wissen, Hardwarelösungen wie Fußtaster oder eine zusätzliche Taste kamen nicht in Frage. Ragg: „Wir brauchten also eine Lösung unter Glas, mit der wir die Norm einhalten und trotzdem eine Einhand-Bedienung ermöglichen. Force-Feedback-Touch war hier genau die richtige Technologie für uns.“

v.l.n.r.: Peter Siegel, Projektleiter Entwicklung SW; Moritz Ragg, Teamlead User Interface Development bei SW
v.l.n.r.: Peter Siegel, Projektleiter Entwicklung SW; Moritz Ragg, Teamlead User Interface Development bei SWBild: KEBA Industrial Automation GmbH

Fertigungstiefe mit Sicherheit

Zuerst startete das Team mit der Hardware-Entwicklung zusammen mit Keba und einem Industriedesigner. Für die Konzipierung der Bedienoberfläche setze man dann von Beginn an auf einen UX-Designer, der bereits erfolgreich Projekte mit Keba durchgeführt hat – so wurde das Gesamtkonzept für die Bedienoberfläche entwickelt. Ragg: „Wir haben relativ rasch gemerkt, dass das Knowhow bei Keba tief ansetzt, auch was die Fertigung betrifft. Eigenentwicklungen in dieser Größenordnung und mit Flexibilität für Erweiterungen haben wir bei keinem anderen Anbieter gesehen.“ Siegel ergänzt dazu: „Die Tatsache, dass Keba von der Entwicklung über Layout bis hin zur Fertigung alles selber im Hause macht und dadurch auch in der Lage ist, Re-Designs schnell und flexibel umzusetzen, hat unsere Entscheidung stark beeinflusst.“ Nicht ahnend, was die Industrie in letzter Zeit hinsichtlich Bauteileverfügbarkeit erfahren hat, legte SW damals schon einen besonderen Wert auf die Fertigungstiefe.

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