Was macht ein gutes HMI aus?

Die Zukunft der HMI-Technologie ist ständig im Wandel. Welche Entwicklungen und Trends erwarten Sie in den nächsten Jahren im Bereich der HMI -Lösungen?

Roland van Mark, Beckhoff: Bereits seit einigen Jahren rückt das Thema Useability zunehmend in den Fokus – und wird dies auch weiterhin tun. Gemeint ist damit die bestmögliche Bedienbarkeit einer Maschine oder eines Prozesses. Entscheidend ist hierfür in immer stärkerem Ausmaß das passende Zusammenspiel von HMI-Hard- und -Software. Für die Hardware erwartet der Anwender zeitgemäße, aber auch zeitlose industrielle Systeme. Zeitlos bedeutet in diesem Zusammenhang zum einen ein modernes, aber auch in Zukunft ansprechendes Design und zum anderen ausreichend Leistungsreserven für künftig steigende Anforderungen. Die Software muss sich aus Anwendersicht bestmöglich bedienen lassen und sollte zudem vollständig und nahtlos in die allgemeine Steuerungstechnik integriert sein.

Günter Deisenhofer, Kontron: Es werden verstärkt web-basierte und plattformunabhängige Visualisierungslösungen zum Einsatz kommen, mit denen der Anwender sowohl am lokalen HMI, als auch über weitere Endgeräte standortunabhängig auf Betriebsdaten zu- bzw. steuernd eingreifen kann. Mit intelligenten Toolkits und Performance-ausgerichteten HTML-5-Browsern lassen sich flexible und maßgeschneiderte HMI-Lösungen relativ schnell und einfach entwickeln.

Die Alltagserfahrungen der Benutzer werden zunehmend auch in industriellen HMI-Lösungen Berücksichtigung finden. Die Steuerung durch Gesten, wie wischen oder zoomen, ist beispielsweise auch in vielen gewerblichen Anwendungsfällen sinnvoll. Die zunehmend leistungsfähigere Hardware im Bereich der Panel-PCs ermöglicht es, neben der Visualisierung auch zusätzliche Funktionen wie Datenintegration, -überwachung und Cloud-Anbindung zu integrieren. Dies kann einen wichtigen Beitrag leisten, die Komplexität durch Reduktion der Systemkomponenten zu verringern und Kosten einzusparen.

Alexander Matt, Schubert System Elektronik: Die HMI steht künftig vor vielen Herausforderungen. Sie muss in Hard- und Software einen niederschwelligen Zugang zur Maschine ermöglichen. Zugleich ist es erforderlich, die zunehmende Fülle an Echtzeit-Maschineninformationen so aufzubereiten, dass Bediener die richtigen Entscheidungen treffen, um ihren Beitrag zur Steigerung der Produktionseffizienz zu leisten.

Im Servicefall stellt die HMI die entsprechenden Nutzerrechte zur Verfügung und bereitet die vorhandenen Daten so auf, dass Störungen schnell und effizient behoben werden können. Aus diesen Gründen ist der Einsatz von KI-Elementen in der HMI ein wichtiger Trend und unabdingbar. Neben den steigenden Anforderungen an Cybersicherheit muss die HMI gleichzeitig offen sein für die Einbindung von mobilen Geräten und alternativen Interaktionsmöglichkeiten. Um diesen Punkten zu begegnen, werden HMIs zu verteilten Systemen, die einer serviceorientierten Software-Architektur folgen.

Stephan Meyer-Loges, Seco: Komplexität sowie Vielfalt verfügbarer Technologien steigen immer weiter an, daher erwarten wir einen stetigen Wachstum im Bedarf – sowohl von Off-the-Shelf-Produkten als auch von Full-Custom-Designs. Grundlegend ist der Trend zu vollständig integrierten Lösungen samt IoT-Funktionalität ungebrochen und der Bedarf dieser wird immer größer. Das beeinflusst in den kommenden Jahren die Produktspezifikation, besonders im Bereich des Betriebssystems – das Stichwort lautet hier Cyber Security Resilience Act.

Je nach Ausprägung der aufkommenden Gesetzgebung wird dies die Art und Weise, wie Kunden HMI-Lösungen integrieren und was der Hersteller bereitstellen muss, stark beeinflussen. Es muss demnach vermehrt auf den Produktlebenszyklus geachtet werden, um Security gewährleisten zu können. Bei Custom Designs geht der Trend eindeutig in Richtung der noch stärker integrierten Lösungen, NFC-Readern oder Dreh/Drück-Bedienelemente – direkt integriert in die HMI-Front.

Armin Hardt, Wachendorff: HMI-Lösungen werden fortschrittliche Datenanalyse- und Visualisierungsfunktionen bieten, um Bedienern Einblicke in den Betriebszustand von Maschinen zu geben und Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Das bedeutet aber auch, dass Bediengeräte performanter und größer sein werden, um die Menge an Daten aufzubereiten, zu visualisieren und zu verteilen. Mobile Endgeräte werden zudem immer mehr für die zusätzliche Visualisierung herangezogen.

Das Remote Monitoring oder die Fernwartung der Maschine/Anlage können sowohl über das HMI als auch über die Steuerung oder das Fernwartungsmodul geschehen. Mit zunehmender Vernetzung von Maschinen werden HMI-Lösungen verstärkt auf Cybersicherheit ausgerichtet sein, um vor Bedrohungen und Angriffen zu schützen. Inwieweit künstliche Intelligenz, Augmented Reality und Mixed Reality Einzug halten, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, wie z.B. der Maschinenrichtlinie oder den Anforderungen an die Maschinensicherheit.

Welche Kernelemente zeichnen in Ihrem Unternehmen eine effektive HMI aus?

Roland van Mark, Beckhoff: Softwareseitig ist mit Twincat HMI und Twincat 3 die durchgängige Integration von HMI und Steuerung gut gelöst. Hardwareseitig profitieren die Anwender – neben den über zehn Jahren Beckhoff-Erfahrung als Pionier der industriellen Multitouch-Nutzung – vom umfangreichen Portfolio im Bereich Multitouch-Control-Panel und -Panel-PC. So stehen Geräte in neun Diagonalen, in Schutzart IP20 und IP65, mit den Anschlussoptionen DVI und CP-Link 4 sowie mit unterschiedlichen Prozessoren (ARM, zwei Intel-Atom- und drei Intel-Core-i-Generationen) zur Verfügung.

Optional lassen sich auch Tastererweiterungen oder Ex-Varianten auswählen, um nur einige Ergänzungen zu erwähnen. Das breite Spektrum an kundenspezifischen Anpassungen ist ein weiterer Vorteil, da sich das HMI so exakt an die individuellen Anforderungen anpassen lässt. Unser Slogan lautet: Das HMI ist die Visitenkarte der Maschine. Das heißt: Alle wesentlichen Funktionen müssen vorhanden sein und die Bedieneinheit muss zudem optisch zur Maschine passen.

Günter Deisenhofer, Kontron: Wir sehen unsere Panel-PCs und Monitore als integrale Bestandteile des Bedienerlebnisses. Unsere HMI-Systeme dienen als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Funktionen, von der Steuerung von Maschinen, über die Visualisierung von Prozessfortschritten bis hin zum integrierten Management des gesamten Produktionsgeschehens. Dabei steht Benutzerfreundlichkeit an erster Stelle: So sorgen z.B. spezielle Anti-Glare- und Anti-Fingerprint-Displays für beste Lesbarkeit selbst bei schwierigen Lichtbedingungen. Eine integrierte Tropfen- und Handballenerkennung – drop-/palm-rejection – minimiert Fehleingaben, das PCAP-Touch-Display gestattet zudem eine Bedienung mit Handschuhen, was in unterschiedlichen Anwendungen wie z.B. in der Medizintechnik wichtig sein kann. Der PCAP-Multitouch ermöglicht zudem eine gestenbasierte Interaktion, die zunehmend auch in industriellen Anwendungen Einzug findet.

Alexander Matt, Schubert System Elektronik: Eine effektive HMI muss in Hard- und Software skalierbar sein und sich an vielfältige Anforderungen schnell anpassen lassen. Von der einfachen Integration schon während der Anlagenplanung und -entwicklung, der leichten Installation in der Fertigung über die einfache Anwendbarkeit und Zugänglichkeit im Betrieb bis zur zielgerichteten Unterstützung im Servicefall bietet eine gute HMI eine ganzheitliche, anwenderzentrierte User Experience. Die klassischen Anforderungen wie Langzeitverfügbarkeit und -support und einen anpassbaren Gewährleistungszeitraum bieten ein hohe Investitionssicherheit und runden das HMI-Angebot ab.

Stephan Meyer-Loges, Seco: Ein HMI ist bei uns immer eine Ready-to-Use-Lösung. Das bedeutet, dass wir nicht nur größeren Wert auf die Auswahl von langzeitverfügbaren, industriellen Komponenten legen, sondern auch einen großen Fokus auf das Betriebssystem setzen. Unser Anspruch ist, unseren Kunden mehr als nur ein Board Support Package zur Verfügung zu stellen, welches diese dann zu einem spezifischen Betriebssystem weiterentwickeln. Wir liefern immer ein produktiv einsetzbares, vorinstalliertes Betriebssystem mit aus. Auf Wunsch auch inklusive der Applikation.

Armin Hardt, Wachendorff: Grundsätzlich muss man unterscheiden, auf welchem Endgerät die Visualisierung programmiert ist. Wir gehen davon aus, dass diese zukünftig bei größeren Maschinen/Anlagen immer mehr auf der Steuerung oder einem PC abgelegt ist und die HMI-Lösung als reines Web-Panel/Monitor ausgeführt wird. Eine effektive HMI-Lösung zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus, indem alle erforderlichen Schnittstellen standardmäßig vorhanden sind, sei es drahtgebunden oder drahtlos, um gerade die Trends abzudecken.

Insbesondere die drahtlose Kommunikation ermöglicht die schnelle und einfache Anbindung von mobilen Endgeräten. Kernelement ist zudem eine schnelle, intuitive Programmierung der Visualisierung und Inbetriebnahme durch z.B. automatischen Variablenimport. Da hier die Maschinenbauer immer mehr unabhängig sein möchten, werden Linux-basierte eigene Visualisierungsprogrammierungen Oberhand gewinnen.

Mit der zunehmenden Komplexität von Maschinen und Anlagen ist Flexibilität entscheidend. Wie passen sich Ihre HMI-Lösungen an unterschiedliche Anwendungsbereiche und Branchen an?

Roland van Mark, Beckhoff: Hier ist die erwähnte große Flexibilität in unserem Portfolio entscheidend, denn sie ermöglicht individuelle Lösungen für jede Anforderung. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den vielfältigen kundenspezifischen Anpassungsmöglichkeiten, die von einem einfachen Kundenlabel bis hin zum komplett eigenständigen Design reichen. Wichtig ist hierbei, dass unser Fertigungskonzept bei Bedarf auch kurzfristige Anpassungen zulässt. Und letztendlich erhöhen Innovationen und die regelmäßige Integration neuer CPU-Generationen permanent die Leistungsfähigkeit unserer HMI-Lösungen und somit auch deren Anwendernutzen.

Günter Deisenhofer, Kontron: Bereits unsere Standard-HMI-Lösungen sind schon für sehr viele unterschiedliche Anwendungsfälle geeignet. Diese sind modular gestaltet und bilden die Grundlage für die Szenarien, in denen Anpassungen notwendig sind. Dafür stehen bereits etablierte Building Blocks zur Verfügung. Dies ermöglicht eine schnelle Umsetzung von kundenspezifischen Änderungen und Modifikationen sowie die Anpassung an unterschiedlichste Branchen direkt bei uns im Hause und reduziert somit den Entwicklungsaufwand, das Risiko bei Änderungen und somit letztendlich die Time-to-Market erheblich. Dazu tragen auch maßgeblich unsere Experten bei, die in einem spezialisierten Team die Anpassungen erarbeiten und die Umsetzung begleiten. Natürlich sind auch vollständig kundenspezifische Lösungen möglich, die ebenfalls von unserer langjährigen Erfahrung im Systemdesign profitieren.

Alexander Matt, Schubert System Elektronik: Unsere HMI-Systeme sind in Hard- und Software einfach anpassbar und skalierbar. Die Panel-IPC-Rechnerkerne können z.B. unterschiedliche Funktionalitäten abbilden. So lässt sich vom einfachen Touch-Monitor über ein Web-Panel bis zum performanten IPC alles auf einer Plattform umsetzen. Daneben ist die Systemkonfiguration in den Stufen Base, Style und Custom auf viele Anwendungsbereiche und Branchen anpassbar.

Um der wachsenden Komplexität einer modernen Industrieumgebung zu begegnen, ist neben der hohen Konnektivität auch eine effizient wartbare Softwarearchitektur wichtiger Bestandteil. Hier bilden unsere Prime-OS-Betriebssysteme die Basis für eine moderne, serviceorientierte HMI-Architektur. Sie sind für unterschiedliche Anwendungen ausgelegt und lassen sich über die drei Konfigurationsstufen individuell und schnell anpassen. Mit einer verteilten Architektur lassen sich die Systeme über den kompletten Lebenszyklus schnell und effizient pflegen und warten.

Stephan Meyer-Loges, Seco: Wir sehen hier zwei gegensätzlich verlaufende Anforderungen: Einerseits der große Bedarf an verfügbaren Off-the-Shelf-Produkten und andererseits einen immer stärker ausgeprägten Bedarf an anwendungsspezifischen Features. Um beiden Trends gerecht zu werden, stellen wir auf der SPS unsere neue Modular Vision HMI-Familie vor, die auf der einen Seite als General-Purpose-Produkt in vielen Anwendungen Einzug erhalten wird und auf der anderen Seite durch das modulare Konzept von Grund auf für Kundenprojekte oder auch für Branchenlösungen angepasst werden kann. Diese Anpassungsfähigkeit beginnt für uns bei der Kerntechnologie, dem SoC. Hier bieten wir ein großes Portfolio von ARM- und x86-basierten Prozessoren an. Darüber hinaus bieten wir ein Customizing der elektrischen Interfaces und Features genauso wie beispielsweise eine spezielle Gehäuseintegration für Food und Medical an.

Armin Hardt, Wachendorff: Das Thema Visualisierung ist bei uns ein echtes Kernthema und wir sind der Überzeugung, dass wir für jede Maschinen-/Anlagengröße und jeden Anwendungsfall die passende HMI-Lösung anbieten können. Vom kleinen, einfachen 4,3″-Bediengerät bis hin zum komplexen Wide-Screen-HMI in unterschiedlichen Bildschirmgrößen, die mit einer proprietären kostenfreien Visualisierungssoftware programmierbar sind, decken wir den Standardbereich passend ab. Hierbei sind zudem Datenanbindungen über OPC UA und MQTT möglich. Für abgesetzte Visualisierungskonzepte bieten wir Web-Panel oder auch Monitore an. Für IPC-basierende HMI-Lösungen decken wir die komplette Palette an Lösungsansätzen ab – vom Box-PC über Panel-PC mit Touch bis hin zu IPC-Lösungen mit externen Tasten oder auch Edelstahlgeräte im Hygenic Design. Wichtig ist uns, dass wir für jeden Anwendungsfall die bestmögliche Lösung haben.

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