Visionen ins MES-Konzept aufnehmen

Bild: HIR GmbH

Die klassische Beschreibung eines Manufacturing Execution Systems (MES) in der Richtlinie VDI 5600 ist in zehn Aufgabengebiete unterteilt, die vom Auftragsmanagement über die Feinplanung und Steuerung, das Personal-, Betriebsmittel- und Qualitätsmanagement, sowie über die Datenerfassung bis zum Informations- und Energiemanagement reichen. Letztlich geht es bei einem MES-Einsatz um optimierte Abläufe in der Produktion, basierend auf der Feinplanung und Steuerung von Produktionsaufträgen, die Verfügbarkeit der relevanten Ressourcen, eine aktuelle Personaleinsatzplanung gezielt für einzelne Schichten, die Erfassung von Auftrags- und Maschinendaten zur Realtime-Überwachung der Produktion, die Rückverfolgbarkeit von Fertigungslosen oder Einzelteilen und so weiter. Damit stellt ein geeignetes State-of-the-Art-MES die Basis für die Smart Factory dar. Aber für die damit verbundene digitale Transformation sind auch neuere technologische Ansätze zu berücksichtigen und MES in einem erweiterten Zusammenhang zu betrachten. Neben dem Querschnittsthema künstliche Intelligenz (KI) spielen digitale Zwillinge, das Industrial Internet of Things (IIoT) und Augmented Reality eine besondere Rolle.

Bild: ©panuwat/stock.adobe.com

Startpunkt digitaler Zwilling

Ein digitaler Zwilling (engl. Digital Twin) ist eine digitale Repräsentanz eines materiellen oder immateriellen Objekts aus der realen Welt in der digitalen Welt. In der Industrie kann es sich dabei um ein Produkt, eine Maschine/Anlage oder einen Prozess handeln. Es ist unerheblich, ob das Gegenstück in der realen Welt bereits existiert oder erst geplant ist. Digitale Zwillinge bestehen aus Modellen des repräsentierten Objekts und können darüber hinaus Simulationen, Algorithmen und Services enthalten, die Eigenschaften oder Verhalten des realen Objekts beschreiben oder beeinflussen. Spiegeln digitale Zwillinge den gesamten Lebenszyklus eines realen Objektes wider, können sie Produkte, Maschinen und Anlagen von der Planung über die Entwicklung bis zur Fertigung begleiten und später auch bei Wartungs- sowie Reparaturarbeiten unterstützen. Sollen digitale Zwillinge über Simulationen hinaus für Optimierungen eingesetzt werden, müssen sie einen bidirektionalen Informationsfluss unterstützen und Rückmeldungen verarbeiten. Im Produktionsumfeld geht es dabei um Auftrags-, Maschinen-, Prozess- und Qualitätsdaten aus einem MES, von SPSen, installierten Sensoren, Röntgen- und Kamerasystemen und so weiter. Hier kommt das Industrial IoT ins Spiel.

Im Industrial Internet of Things vernetzt

Der Begriff IIoT wird heute häufig zweifach verwendet: zum einen für IT-Systeme zur Vernetzung von Maschinen, Anlagen und Geräten auf dem Shopfloor. Zum anderen auch für die generelle Vernetzung aller produktionsrelevanten Prozesse mit einer vertikalen, hierarchielosen Kommunikation vom Sensor bis in die Cloud – Stichwort: Auflösung der Automatisierungspyramide. Beide IIoT-Interpretationen eint, das sie sowohl Echtzeit-Aktualisierungen eines virtuellen Modells auf der Grundlage der Ereignisse im realen System ermöglichen als auch umgekehrt Verbesserungen der Realität aufgrund der Optimierungen des virtuellen Objekts.

Augmented Reality noch am Anfang

Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) gelten vielen noch teils als Zukunftsmusik, werden aber längst industriell genutzt, auch wenn das Potenzial in den Technologien bei weitem noch nicht ausgereizt ist. Zunächst soll kurz der Unterschied erläutert werden. Augmented Reality erweitert die Sicht des Benutzers, indem einer durch eine Kamera erfassten Live-Ansicht digitale Elemente hinzugefügt werden. Virtual Reality ersetzt eine reale Umgebung vollständig durch eine simulierte Umgebung. Beide Technologien adressieren verschiedene Anwendungsfälle. Im MES-Kontext spielt Augmented Reality die eindeutig wichtigere Rolle. MES hat die unmittelbar sichtbare Realität für Planer und Steuerer, Werker und Produktionsführungskräfte schon immer um zusätzliche, nahezu Real-time-Informationen erweitert, sei es mit Auftragsprioritäten, Arbeitsanweisungen, Maschinen- und Personal-Kapazitäten, Verfügbarkeiten von Komponenten und Fertigungshilfsmitteln, erforderlichen Qualitätsmerkmalen und Maschinen-/Anlagenzuständen. Aber mit AR kann ein MES die relevanten Informationen in anwenderfreundlicher, visueller Overlay-Form liefern. Dies kann für die Mitarbeiter stressfrei ohne Unterbrechungen geschehen, während sie ihre Arbeit ausführen. Dabei sind die Anwendungsfälle für AR nur durch die Vorstellungskraft begrenzt. Einige Denkanstöße sind: Welche Prozesse und Rollen auf dem Shop Floor sollten welche Informationen AR-gestützt erhalten? Welche Informationen des digitalen Zwillings helfen Fertigung, Montage, Reparatur und Wartung, bei der innerbetrieblichen Logistik, bei Schichtübergaben und Produktionsbesprechungen? Alles, was im MES selbst oder über eine Verbindung zum MES via IIoT verfügbar ist, kann mit einer Live-Kameraaufnahme des realen Produkts, einer Maschine oder eines Anlagenbereichs im AR-Device überlagert werden. Bei dem AR-Device kann es sich dabei um mobile Handheld-Geräte wie Smartphones und Tablets oder um Wearables wie intelligente Brillen handeln, die ein kleines Display enthalten, das nur der Träger des Geräts sieht. Richtet der Benutzer seinen Blick und somit das Device auf ein Objekt, lässt sich das vom Kameraobjektiv erzeugte Live-Bild mit AR-Informationen überlagern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert