Wenn der Chef Software nicht mag

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Das Unternehmen läuft reibungslos: Es geht alles seinen bewährten Gang. Die Kunden sind zufrieden, viele kennt der Chef persönlich. Täglich geht er durch den Betrieb, denn der Ausdruck persönlicher Wertschätzung und das Gespräch mit den Menschen ist ihm wichtig. Software braucht das Unternehmen nicht, stellt der Chef fest! Allerdings empfindet der Chef den hohen Aufwand, den seine Meister betreiben, um ihm zuverlässige Informationen aus dem Betrieb zu präsentieren, als störend. Obwohl er sich gegen die Digitalisierung wehrt, müssen die Meister täglich Daten vom Shop-Floor manuell zusammentragen und in Excel eingeben. Doch die modernen Maschinen und ein engagiertes Team ermöglichen es trotzdem, die Qualität hochzuhalten und die Kunden zufriedenzustellen. So hat das Unternehmen auf Software weitgehend verzichtet. Die Notwendigkeit erkennt der Chef auch deshalb nicht, weil einige Angestellte und Werksstudierende begonnen haben, mit MS-Access oder Excel selbst eigene kleine Werkzeuge zu entwickeln, um Abläufe zu optimieren und Kennzahlen zu erfassen.

Der Chef denkt um

Doch eine Reihe von Faktoren führten dazu, dass sich das Unternehmen dennoch auf die digitale Transformation einließ. Neben dem Umstand, dass im Zuge der Expansion die eingebundenen Unternehmen und Standorte bereits über eigene IT/OT-Infrastrukturen in unterschiedlichen Ausprägungen und Reifegraden verfügten, wurde erkannt, dass das Wachstum des Unternehmens oder die Ausweitung auf weitere Standorte selbst über ein mehrstufiges BAB (Betriebsdatenerfassungssystem) keine belastbare Grundlage für die Unternehmenssteuerung darstellte. Vermutlich wurde auch die herkömmliche Erstellung zu aufwendig und ungenau, oder äußere Faktoren zwangen letztendlich zu diesem Bewusstseinswandel. Schließlich konnte der Junior, der ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert hatte – mit anderen aus der Belegschaft – den Senior davon überzeugen, dass sinnvoll eingesetzte Software allen zugutekommen und in Zukunft immer bedeutender werden würde. Mit Blick auf die zu lösenden Aufgaben entschieden die Verantwortlichen sogar, auf ein komplett digitales Betriebsmanagement umzustellen.

Die Herangehensweise

Der IT-Dienstleister ATS Global erhielt den Zuschlag, die Firma dabei zu unterstützen. Im Zuge der Transformation wurden Anwendungen auf kaufmännischer, Produktions- und Anlagenebene eingeführt. Der moderne Maschinenpark ermöglichte eine Integration vieler Komponenten durch Konnektoren oder direkte Anbindungen. Wo sinnvoll, wurde ältere Technologie mit einfacher Sensorik nachgerüstet, um an Maschinendaten zu gelangen. Unter der Projektleitung des Juniorchefs wurde ein Team zusammengestellt, das von einem Mentor koordiniert wurde. Das Team repräsentierte sämtliche beteiligten Bereiche des Herstellprozesses, angefangen von Anlagenfahrern, Produktionssteuerung, Produktionsmanagement und Planung bis hin zu Vertretern aus Vertrieb, Einkauf, Materialwirtschaft, Qualitätssicherung und Instandhaltung. Zwei Faktoren trugen besonders zum Erfolg bei: Die qualifizierten Teammitglieder wurden in Standards und Kommunikationstechniken geschult. Und es wurden alle Bereiche einbezogen, vom Wareneingang bis -ausgang. Das geschah alles entlang der vier Säulen des Herstellprozesses: Produktion, Material, Instandhaltung und Qualität.

Die Methodik

Die Teams des Herstellers und des IT-Dienstleisters beim Beispielunternehmen führten Ist- und Fit-Gap-Analysen in Anlehnung an die VDI-Richtlinie 3694 durch, wobei die Belange der Anforderungsanalyse für eine MES/MOM-Anwendung berücksichtigt werden. Hierzu dient das Aktivitätsmodell nach ISA-95 und DIN/EN62264 als strukturelle Grundlage. Für jede der vier Funktionskategorien von Produktions- bis Instandhaltungsmanagement wurden mit Bezug auf die acht Aktivitäten

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