Augmented Reality kann Optimierungspotenziale bremsen

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Unternehmen erhoffen vom Augmented-Reality-Einsatz in der Produktion höhere Produktivität und verbesserte Produktionsabläufe. Die Technologie kombiniert die reale Wirklichkeit mit einer computergenerierten. AR-Brillen leiten die Beschäftigten etwa beim Zusammenbau eines Elektrogeräts an, indem die Brille die Einzelteile erkennt und den nächsten Montageschritt anzeigt. Bislang war jedoch wenig darüber bekannt, ob sich Investition in die Technologie lohnen und welche Stärken und Schwächen Augmented Reality im Produktionsumfeld hat. Um diese Lücke zu schließen, hat ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM), der University of Wisconsin-Madison und des Mainzer Zentrums für psychische Gesundheit im Alter mit Feldversuchen in einem Technologieunternehmen untersucht, wie schnell Beschäftigte neue Aufgaben mit und ohne AR-Unterstützung ausführen, ob die Komplexität der Aufgaben dabei eine Rolle spielt und wie der AR-Einsatz die Fähigkeit der Nutzerinnen und Nutzer beeinflusst, Prozessoptimierungen vorzuschlagen. 50 Probanden wurden in zwei neue, unterschiedlich schwierige Aufgaben bei der Produktion von Elektronikgeräten eingewiesen. Die Hälfte erhielt die Anleitung auf Papier, die andere Gruppe über eine AR-Brille. Anschließend mussten beide Gruppen die Aufgaben zuerst mit und dann ohne Anleitung bewältigen. In einem zweiten Schritt waren alle Teilnehmenden aufgefordert, Verbesserungsvorschläge zu machen, um die Produktionsprozesse zu optimieren. Anschließend wurden diese Vorschläge von Experten des Unternehmens bewertet.

Höhere Produktivität

Die Studie zeigt, dass die Produktivität durch den Einsatz von Augmented Reality deutlich erhöht werden konnte. Beschäftigte, die die schwierige Aufgabe mit AR-Brillen meisterten, benötigten dafür im Vergleich zur Kontrollgruppe fast 44 Prozent weniger Zeit. Bei der einfachen Aufgabe betrug der Zeitunterschied immer noch gut 15 Prozent. Allerdings zeigte sich auch, dass die Probandender AR-Gruppe die Aufgabe offenbar weniger durchdrungen hatten als die analog angeleitete Gruppe. Bei der Wiederholung der komplexen Aufgabe ohne Hilfsmittel waren sie langsamer und benötigten 23 Prozent mehr Zeit. „Wer sich zu sehr auf die Technik verlässt, verarbeitet die Informationen nicht so tiefgreifend und erzielt geringere Lerneffekte“, sagt Studienleiter David Wuttke, Professor für Supply Chain Management an der TUM. „Das ist bei Augmented-Reality-Geräten ganz ähnlich wie bei Navigationsgeräten im Auto. Wer mit Navi durch eine fremde Stadt fährt, kann sich dort ohne dieses Gerät beim nächsten Mal kaum orientieren.“

Weniger Optimierungspotenzial

Der zweite Teil der Analyse zeigt, dass sich der Einsatz von Augmented-Reality-Brillen negativ auf das Innovationspotenzial auswirken kann. Die Beschäftigten, die mit Papieranleitungen produzierten, machten anschließend deutlich hilfreichere Verbesserungsvorschläge als die AR-Gruppe. „Die Ergebnisse legen nahe, dass das Augmented-Reality-Gerät als Krücke diente, aber bei den Menschen zu keinem tieferen Verständnis der Aufgabe führte und sie infolgedessen auch wenig zur Prozessoptimierung beitragen konnten“, sagt Wuttke.

Wo liegt der Nutzen?

Den größten Nutzen aus der AR-Technologie zögen derzeit Branchen mit einer hohen Taktfrequenz in der Produktion, in der die Prozessoptimierung abgeschlossen ist oder keine große Rolle spielt, so schlussfolgert das Forschungsteam. Firmen, die auf eine ständige Weiterentwicklung ihrer Produkte setzen, profitieren dagegen weniger von AR. „Für diese Branchen könnten eine hybride Form oder eine intelligente Gestaltung der Augmented Reality die Lösung sein“, sagt David Wuttke. „Beispielsweise könnten die Anwendungen so programmiert werden, dass sie gezielte Fragen stellen – oder dass die Anleitungen sogar absichtlich unperfekt sind, um zum Nachdenken anzuregen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass ein Teil der Beschäftigten mit AR-Brillen für eine hohe Produktivität sorgt, während ein anderer Teil analog angeleitet produziert und so weiter an besseren Produktionsabläufen arbeitet.“ Wie diese Ansätze tatsächlich in der Produktion funktionieren, wollen die Wissenschaftler weiter erforschen.

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