Dicht oder nicht?

Im Umfeld der Prozesstechnik ist der Schutz elektromechanischer Verbindungen gegen Feuchte beziehungsweise Wasser eine essenzielle Forderung.
Im Umfeld der Prozesstechnik ist der Schutz elektromechanischer Verbindungen gegen Feuchte beziehungsweise Wasser eine essenzielle Forderung.
 Im Umfeld der Prozesstechnik ist der Schutz elektromechanischer Verbindungen gegen Feuchte beziehungsweise Wasser eine essenzielle Forderung.
Im Umfeld der Prozesstechnik ist der Schutz elektromechanischer Verbindungen gegen Feuchte beziehungsweise Wasser eine essenzielle Forderung.Bild:©agnormark/stock.adobe.com

Wasserdicht – der umgangssprachliche Begriff suggeriert die absolute Widerstandsfähigkeit eines Objekts gegen das Einwirken von Feuchtigkeit – etwa in Form von Nebel oder Regen – sowie gegen das Eintauchen in Flüssigkeiten. Doch schon aus der Alltagserfahrung ist bekannt, dass in der Regel nur ein relativer Schutz besteht, etwa einer Uhr, einer Kamera oder eines Smartphones, deren Spezifikationen das Untertauchen nur bis zu einer begrenzten Tiefe beziehungsweise einem maximalen hydrostatischen Druck gestatten. Für die Anwender industrieller elektrischer Verbindungstechnik ist es naheliegend, diese Erfahrung auf die Einsatzszenarien für Steckverbinder, beispielsweise in der Prozesstechnik, zu übertragen. Der Schutz der Schnittstellen gegen fluide Medien ist hier unter funktionalen sowie unter Sicherheitsaspekten eine essenzielle Forderung.

Um die Dichtheit des elektromechanischen Gesamtsystems zu gewährleisten, kommt den Steckverbindern in der Industrieelektronik eine besondere Bedeutung zu. Denn einerseits sollen sie mehrmals steck- und abziehbar sein; andererseits muss die Verbindung im gesteckten Zustand – je nach Anwendung – das Eindringen flüssiger Medien zuverlässig verhindern. Der Grad der nötigen Widerstandsfähigkeit – und damit die korrekte Interpretation des Attributs ‚wasserdicht‘ – ist untrennbar mit den Gegebenheiten der betreffenden Applikation verknüpft: Während Steckverbinder in vielen Automatisierungsaufgaben nicht in direktem Kontakt zu Feuchtigkeit stehen, gibt es spezielle Anwendungen, bei denen sie Spritzwasser ausgesetzt sind oder sogar zeitweiligem Untertauchen standhalten müssen. Insbesondere in hygienisch anspruchsvollem Umfeld kann es vorkommen, dass Steckverbinder zwecks Reinigung unter Hochdruck bestrahlt werden. Dann sind besondere konstruktive Maßnahmen unerlässlich, um eine sichere Signal- beziehungsweise Energieübertragung zu gewährleisten.

 Die Bauform M12 ist in der Feldebene der Automation, etwa für die Sensor-Aktor-Verkabelung, verbreitet; konfektionierbare Stecker und Buchsen gewähren Flexibilität bei der Installation.
Die Bauform M12 ist in der Feldebene der Automation, etwa für die Sensor-Aktor-Verkabelung, verbreitet; konfektionierbare Stecker und Buchsen gewähren Flexibilität bei der Installation.Bild: Franz Binder GmbH & Co. Elektrische Bauelemente KG

Genormte Kennzeichnung: Schutzart und IP-Code

Der Grad der Beständigkeit gegen Feuchte und Flüssigkeiten ist in den Produktdatenblättern der Steckverbinderhersteller angegeben. Die betreffende technische Spezifikation bezieht sich auf die sogenannte Schutzart; sie legt fest, unter welchen Umgebungseinflüssen – Berührung sowie Eindringen von Fremdkörpern und Wasser – der jeweilige Steckverbinder einsetzbar ist. Die Schutzart wird, gemäß den Normen DIN EN 60529 beziehungsweise ISO 20653, in Form eines sogenannten IP-Codes (International Protection) angegeben, der aber bei Steckverbindern in der Regel nur im gesteckten Zustand gilt. Die obigen Beispiele entsprechen demgemäß den Schutzarten IP67 – Schutz gegen zeitweiliges Untertauchen – sowie IP68/69K – Schutz gegen dauerhaftes Untertauchen beziehungsweise Bestrahlen unter Hochdruck. Da die Normen Kriterien wie ‚zeitweilig‘ oder ‚dauerhaft‘ weder eindeutig noch verbindlich definieren, sind in der Praxis präzisierende Angaben der Hersteller sinnvoll.

Unzureichende Kenntnis der DIN EN 60529 beziehungsweise der ISO 20653 führt in der Praxis häufig zu der missverständlichen Annahme, eine hohe Zahl im IP-Code bedeute zwangsläufig den besseren Schutz. Es ist deshalb wichtig zu wissen, dass sich die erste Ziffer des Codes auf das Eindringen fester Partikel bezieht, etwa Staub, während die zweite Ziffer den Schutz gegenüber Feuchte und Wasser angibt. Somit kann ein Erzeugnis nach IP64 im Vergleich zu einem IP55-Produkt keinesfalls pauschal als ‚besser geschützt‘ betrachtet werden. Erstes darf zwar stärker mit Fremdkörpern belastet werden, sprich: Es ist staubdicht. Jedoch verträgt es nur Spritzwasser, während zweites sich aus beliebigem Winkel mit Wasser bestrahlen lässt. Den beiden Ziffern für Partikel beziehungsweise Feuchte/Wasser können an dritter und vierter Position Kennbuchstaben folgen, um die Schutzart genauer zu bezeichnen. Ein K (wie in IP69K) steht beispielsweise für Ausrüstungen von Straßenfahrzeugen; ein B für den Zugang zu gefährlichen aktiven Teilen mit einem Finger.

Es ist wichtig zu betonen, dass sich die IP-Schutzart ausschließlich auf den Schutz von Betriebsmitteln und deren Komponenten bezieht. Sie trifft keinerlei Aussage über den Schutz von Personen, die mit diesen Betriebsmitteln interagieren. Maßnahmen zur Sicherheit der Anwender sind in der sogenannten Schutzklasse definiert, die nicht Gegenstand dieses Beitrags ist.

 Not Connected Closed - die NCC-Steckverbinder der Serie 770 sind dank einer gefederten Kunststoffabdeckung auch im ungesteckten Zustand vor Partikeln und Spritzwasser geschützt.
Not Connected Closed – die NCC-Steckverbinder der Serie 770 sind dank einer gefederten Kunststoffabdeckung auch im ungesteckten Zustand vor Partikeln und Spritzwasser geschützt.Bild: Franz Binder GmbH & Co. Elektrische Bauelemente KG

Wasserdicht im industriellen Kontext

Neben den elektrischen Kenngrößen wie Bemessungsstrom und -spannung, Stoßspannung oder Durchgangswiderstand sind einbaurelevante Parameter wie Integrationsdichte und Miniaturisierungsgrad – und daraus folgend die Bauform eines Steckverbinders – generelle Auswahlkriterien. Darüber hinaus gilt es jedoch, die Besonderheiten der jeweiligen Einsatzumgebung zu bewerten: Ist die Schnittstelle mechanischen Belastungen wie Stößen oder Vibrationen ausgesetzt? Sind Vorkehrungen gegen die Einflüsse benachbarter hochfrequenter Elektronikbaugruppen, gegen Brandrisiko oder Explosionsgefahr zu treffen? Oder setzt eine Verbindung, die häufig gesteckt und wieder gelöst werden muss, besondere konstruktive Maßnahmen voraus, um viele Steckzyklen zu überdauern? Die Antworten auf diese und ähnliche Fragen führen den Anwender zu Produkteigenschaften wie Verschlusstechnik, elektromagnetischer Schirmung und Kontaktwerkstoffen, die zwangsläufig in die Kaufentscheidung einfließen.

Dass Steckverbinder – auf zunächst nicht definierte Weise – dem Eindringen von Partikeln und Feuchte oder Flüssigkeiten trotzen müssen, ist eine Standardanforderung der Industrie. Doch wie oben ausgeführt, hängt die notwendige Schutzart von den Details der Applikation ab. Da diese von Schnittstellen bei Messen und Regeln in der Fabrikautomatisierung über die Lebensmittel- und Getränkeindustrie bis zum klinischen Einsatz medizinischer Gerätetechnik reichen, können sich die Forderungen an ‚wasserdichte‘ Steckverbinder erheblich unterscheiden. Vor allem in den beiden letztgenannten Gebieten unterliegen die Produkte einer besonderen Feuchtigkeitsbelastung, die aus den hier geforderten Reinigungs- und Sterilisationsprozessen resultiert.

 Miniaturisiert und nach IP67 wasserdicht: Die Serien 620 und 720 mit O-Ring an der Dosenseite und Dichtung im Klemmbereich.
Miniaturisiert und nach IP67 wasserdicht: Die Serien 620 und 720 mit O-Ring an der Dosenseite und Dichtung im Klemmbereich.Bild: Franz Binder GmbH & Co. Elektrische Bauelemente KG

Produktbeispiele mit IP67 und IP68/69K

Sämtliche M12-Steckverbinder von Binder sind normgerecht nach IP67, viele auch nach IP68/69K beständig gegen Feuchte und Wasser. Korrosionsbeständige Varianten sind mit Edelstahl- oder Kunststoff-Gewindering versehen. Während IP67 Anwendungssicherheit bei gelegentlicher Feuchtigkeit – ohne höhere Anforderungen – gewährt, können die widerstandsfähigeren Produkte je nach Schutzart und Material auch Witterungseinflüssen im Außeneinsatz sowie dem Untertauchen in größere Tiefen, Hochdruck-Wasserstrahlen sowie aggressiven Reinigungsmitteln trotzen.

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