Logistik vereinfacht

Bilder: Franz Binder GmbH & Co. Elektrische Bauelemente KG

Die Anforderungen an Warenlager haben sich verändert, und nicht nur die logistischen Abläufe sind im Wandel, sondern auch die Technologien, die diese am Laufen halten. Es kann sich also lohnen, auf die technische Modernisierung anderer Lager zu schauen, um einzuschätzen, welche Lösungsansätze auch im eigenen Fall Sinn ergeben. Bei Binder, einem der Anbieter im Bereich Rundsteckverbinder für die Industrie- und Automatisierungstechnik, entsteht am Hauptsitz in Neckarsulm in zwei Bauphasen ein neues Werk mit Produktion, Logistik, Büros und Sozialräumen. Wie für nahezu alle Lagerbetreiber ging es auch hier darum, Effizienz und Qualität zu steigern und die Kosten zu senken. Kunden erwarten heutzutage schnellere Lieferungen. Zugleich werden die Logistikprozesse komplexer. Daher war der Anspruch, sowohl auf Hard- als auch auf Softwareebene, dem Warenfluss die Komplexität zu nehmen. Hier lohnt ein Blick auf die Bauprozesse.

Zum Ende des ersten Bauabschnitts nahm Binder die Produktion und den Logistikbereich mit Hochregallager für Paletten und Kleinteilelager für Behälter sowie Fördertechnik planmäßig in Betrieb. Das neue Zentrallager vereint die zuvor baulich und räumlich getrennten Versand- und Teilelager. In der zweiten Bauphase werden dann schrittweise die drei Werke zusammengeführt und zugleich direkt an das Zentrallager angebunden. Durch die Konzentration der Warenströme wird die Komplexität der logistischen Abläufe reduziert. Möglich macht das eine neue Logistikanlage.

Zwei Ansätze

Verfolgt wurden u.a. zwei Lösungsansätze, die auf andere Lager übertragbar sind – Platzoptimierung und Automatisierung. Eine der größten Herausforderungen in Warenlagern ist die effiziente Platznutzung. Das hieß in diesem Fall, dass Räumlichkeiten zusammengelegt oder enger miteinander verbunden wurden. Platzoptimierung kann aber auch die Maximierung der Lagerkapazität bedeuten, die im Zuge steigender Nachfrage nach Produkten erforderlich wird. Hier können etwa automatische Regalsysteme und vertikale Lagerung zum Einsatz kommen. Vollautomatisierte Lager können heute dreimal so hoch gebaut werden wie manuelle Lager. Durch die Höhe lagern mehr Produkte auf kleinerer Fläche, nicht zuletzt, wenn man wie in diesem Use Case noch auf doppeltiefe Lagerung setzt. Der zweite Lösungsansatz, Automatisierung, ist für Lagerbetreiber omnipräsent. Automatisierte Systeme wie fahrerlose Transportsysteme oder Roboter ermöglichen eine effiziente und präzise Lagerverwaltung. Gibt es gutlaufende manuelle Prozesse, kann eine Kombination von manuellen und automatisierten Prozessen im Lager sinnvoll sein. Vorausgesetzt, es sind genügend Arbeitskräfte vorhanden. Denn mit Automation können Unternehmen auch dem bestehenden Fachkräftemangel begegnen. Dabei ersetzen Automationssysteme nicht nur manuelle Prozesse, sondern vereinfachen z.B. mit Step-by-Step-Anweisungen an den Arbeitsplätzen Prozesse so weit, dass auch ungelernte Mitarbeiter diese ausführen können.

Orchestriert mit SAP

Wachstumsbedingt stießen die die Kapazitäten bei Binder an ihre Grenzen. Mit Blick auf die Zukunft hatte sich das Unternehmen daher für ein vollautomatisiertes Lager entschieden, nicht zuletzt, da es eine Doppelnutzung gibt. Der Neubau ist sowohl Nachschublager für die Produktion als auch Fertigwarenlager für den Versand. Möglich ist dies, wenn die Software-Seite – in diesem Fall SAP-Software – die Systeme aussteuert. Das Lager besteht aus einem automatischen Palettenlager (APL) mit doppeltiefer Lagerung und einer Kapazität von rund 1.500 Stellplätzen sowie einem 4-fach tiefem Shuttlelager für Behälter mit rund 45.000 Behälterplätzen in drei Gassen und 58 Ebenen. Die Ein- und Auslagerung der Paletten im APL erfolgt über ein vollautomatisches Regalbediengerät und einer Leistung von 35 Doppelspielen pro Stunde. Im Shuttlelager kommen pro Gasse vier Shuttlefahrzeuge zum Einsatz, die eine Leistung von 450 Doppelspiele pro Stunde erbringen. Das ermöglichte eine Verdreifachung der Kapazität im Vergleich zum alten Lager. Über die Zahl der Shuttlefahrzeuge kann die Leistung der Anlage mit dem perspektivisch weiter zunehmenden Bedarf sogar noch wachsen. Um die Automatisierungssysteme in Gleichklang zu halten, kommen SAP EWM (Extended Warehouse Management) und SAP EWM/MFS (Materialflusssystem) zum Einsatz. Erstgenanntes bildet die Prozesse in den Bereichen Wareneingang, Lagerung, Produktionsversorgung sowie Kommissionierung und Versand ab, SAP EWM/MFS den Materialfluss in den automatischen Lagerbereichen. Die Austarierung all dieser Abläufe gelingt durch die offene Struktur beider Programme. So lässt sich SAP EWM nahtlos mit anderen SAP-Modulen und -Softwaresystemen wie SAP ERP, SAP S/4Hana und SAP TM verknüpfen bzw. in sie integrieren. Für das Shuttlelager wurde etwa ein individualisiertes Prozess-Management-System von Körber aufgesetzt, das sich ebenfalls in das übergeordnete SAP-System einfügte.

Ansatz übertragbar?

Was lässt sich aus diesem Use-Case auf andere Warenlager übertragen? Hardwareseitig lohnt sich ein solches Shuttlelager sicher nicht für jedes Unternehmen. Abschauen lässt sich aber sicher die Planung von Raum und Technologie. Denn es ist abzusehen, dass die Konzentration der Warenströme ein immer wichtig werdender Ansatz zur Lageroptimierung ist.

Wie viele Abläufe automatisch, wie viele manuell erfolgen sollen, gilt es individuell abzuwägen. Jedoch hilft Automatisierungstechnologie Platz zu sparen und Prozesse zu beschleunigen. Eine durchgängige IT-Struktur hilft, ein Logistiksystem mit mehr Durchsatz und Kapazität zu etablieren. Die Modularität der Systeme sorgt zugleich dafür, dass Anlagentechnik variabel mitwachsen kann. Denn mag es auch keinen universellen Lösungsweg geben, gibt es doch einen universellen Anspruch an künftige Warenlager – Flexibilität. Raumgestaltung, Automatisierung und IT-Strukturen werden dabei eine Hauptrolle spielen.

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