Aufbruch in eine neue Automatisierungswelt

Die Plattform ctrlX Automation reduziert den Komponenten- und Engineering-Aufwand um 30 bis 50 Prozent.
Die Plattform ctrlX Automation reduziert den Komponenten- und Engineering-Aufwand um 30 bis 50 Prozent.

Auf der SPS war die neue Automatisierungsplattform ctrlX Automation offensichtlich nicht nur am Bosch Rexroth Stand das Gesprächsthema. Was gab den Anstoß zu der Entwicklung der neuen Automatisierungsplattform?

Heiner Lang: Wir haben uns vor etwa zwei Jahren die grundlegende Frage gestellt, wo die Reise der industriellen Automatisierung eigentlich hingeht. Flankiert war diese Frage von dem Wandel im Bereich der Consumer Electronics, die sich z.B. durch das Smartphone weiterentwickelt hat. Der Aufstieg des Smartphones hat unser privates Leben dramatisch verändert. Viele sagen ins Positive, manche sehen das eher negativ, aber die Veränderung bestreitet keiner. Diesen Impuls haben wir aufgenommen und auf die industrielle Automatisierung übertragen. Das heißt: Weg von den hochkomplexen Techniken, hin zu etwas Einfacherem, das aber absolut der Anforderung genügt. So entstand die Idee eines Automatisierungssystems, das genauso funktioniert wie ein industrielles Smartphone. Das war der Leitgedanke, der uns getragen hat und wir haben uns dann 2017 entschlossen, diesen Weg konsequent zu gehen, also mit einem radikalen Ansatz, um die Automatisierungstechnik 2019 mit ctrlX Automation zu verändern.

Sie nennen es einen radikalen Ansatz, was war die Radikalität dabei?

Die Radikalität war, dass wir aus einem proprietären Automatisierungssystem, wie es fast alle Automatisierer besitzen, ausgebrochen sind. Unser Ziel war eine neue radikal offene Plattform. Wir bedienen offene Standards und unsere Plattform ist der Träger dessen, was der Kunde sich als Applikation vornimmt. Der Kunde entscheidet letztendlich, was auf unserem Betriebssystem laufen soll und wie er das implementiert. Er braucht sich dazu nicht an eine zwingende Vorlage von uns zu halten.

Können Sie ein Beispiel geben, wie ein Kunde das umsetzen kann?

Wir haben Pilotkunden gefunden, die erst einmal mit großer Begeisterung wahrgenommen haben, dass wir diesen neuen radikalen Weg überhaupt gehen. Diese Kunden haben für sich sehr schnell festgestellt, dass dieser Weg ihnen viele Freiheiten bietet, die sie bis heute nicht hatten. Beispiel: Jeder Kunde versucht sich in seiner Branche durch sein Angebot zu differenzieren. Dadurch hat er meistens Software- und Hardwareelemente, mit denen er sich unterscheiden kann. Bei uns hat er jetzt die Möglichkeit, diese Elemente in einer offenen Plattform zu implementieren und zwar in der von ihm gewählten Programmiersprache und Umgebung. Allerdings bleibt das nach außen hin abgeschlossen und ist auch nicht für seine Endkunden sichtbar. Man kann sich das wirklich vorstellen wie ein Smartphone, auf dem man eine App herunterlädt und dann die Funktionalität nutzen kann. Genau diese Freiheit hat die Kunden begeistert, denn sie können unterschiedliche Funktionen einfach mit verschiedenen Applikationen bedienen. Dabei entscheiden sie selbst, wann sie diese nutzen möchten.

Kann man die Funktionalitäten auf bestehende Plattformen transferieren? Mit welchem Aufwand?

Das können die Kunden, denn wir packen in Zukunft diese Funktionalitäten in sogenannten Containern. Das sind abgeschlossene Softwareblöcke, die auf die Steuerungsplattform wie eine App heruntergeladen und dort an das Betriebssystem angedockt werden. Die Funktionalität der Endsteuerung kann der Kunde in dem Container paketieren. Das bedeutet etwas Anpassungsaufwand, denn das funktioniert nicht vollautomatisch, aber der Aufwand ist überschaubar. Dem Kunden steht diese gekapselte Lösung in dem Container zur Verfügung und er kann sie quasi auf jeder einzelnen Steuerung, auf jedem Antrieb, also auf jedem System, dem ctrlX Automation angehört, andocken und lauffähig halten.

Wie reagieren die Pilotkunden auf die Arbeit mit der neuen Plattform? Was tun diese damit?

Die zahlreichen Pilotkunden, die schon damit arbeiten, haben sich bewusst für diese neue Technologie entschieden. Sie haben ihre Bestandslösung, die sie bis heute genutzt haben, in diese Container reingepackt. Dazu haben sie die neue Plattform von ctrlX Automation auf ihrer Maschine appliziert und stellen heute genau mit dieser App-Funktionalität den Betrieb der Anlage sicher. Bereits seit 2019 machen die ersten Endkunden damit eine wesentliche Erfahrung: Sie merken während des Betriebs des Systems, wie einfach es funktioniert. Sie sind nicht mehr auf die große Expertise von Fachleuten angewiesen und können viele Dinge selbst gestalten.

Das heißt, jeder an der Maschine und Anlage könnte ohne große Schulung damit arbeiten?

Das ist genau der Punkt. Ich habe bei mir selbst angefangen, als wir uns für die Lösung entschieden haben. Als Maschinenbauer habe ich noch den klassischen allgemeinen Maschinenbau kennengelernt – also viel Mechanik mit Eisen und Stahl. Die Lehrinhalte zur Elektrotechnik und Automatisierung waren noch begrenzt. Mein Leitgedanke und der Wunsch an meine Kollegen war, die Plattform so einfach zu gestalten, dass auch ich sie bedienen kann. Sie sollten mich als Gradmesser nehmen und mir das Erfolgsgefühl vermitteln, dass ich diese Automatisierungslösung konfigurieren, bestellen, in Betrieb nehmen und lauffähig halten kann. Wir wussten, wenn wir das schaffen, dann haben wir den Nerv der Zeit getroffen: Viele der Kunden, die erst in die Automatisierung einsteigen, wollen eine ganz niedrige Hürde nehmen, um zügig mit neuen Systemen vertraut zu werden. Sie wollen schnell damit arbeiten und neue Lösungen für die Kunden entwickeln. Das ist uns mit ctrlX Automation gelungen.

War die SPS 2019 das Ziel, das Sie sich zwei Jahre vorher, 2017, für die Vorstellung der Plattform gesetzt haben?

Ja, der offizielle Marktlaunch sollte zur SPS 2019 erfolgen – und das haben wir geschafft. Ab sofort können wir Bestellungen der Kunden entgegennehmen. Ausliefern können wir ab April 2020. Ab dann werden die ersten Lösungen in Form von Hard- und Software für unsere Kunden zur Verfügung stehen.

Gibt es dann noch Weiterentwicklungen zur Hannover Messe?

Wir haben uns einen Vierjahres-Plan vorgenommen und werden ctrlX Automation in vier Wellen auf den Markt bringen. Wir gehen bewusst den Weg, bereits zu Beginn kartesisches Handling und Robotik zu bedienen, weil dort augenblicklich der größte Bedarf besteht. In den Jahren 2020/2021 erweitern wir um koordinierte sowie synchronisierte ctrlX Motion. 2022/23 steht die CNC-Lösung auf dem Plan, so dass wir im Grunde jedes Jahr neue Lösungen, Herausforderungen und komplexe Anforderungen mit ctrlX Automation angehen werden. www.boschrexroth.com

Das Interview führte Peter Schäfer

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