Corona-Mutationen und die Probleme von Prognosen

Verschiedene neuere Studien aus Großbritannien legen nahe, dass die Virusmutation B.1.1.7 ungefähr 35 bis 70 Prozent ansteckender ist als die bisher bekannte Form. Darüber hinaus muss man Annahmen über die bisher vorhandenen Infektionen mit der neuen Form des Virus treffen, da es hierzu bisher nur sehr wenige belastbare Daten gibt. Angenommen, der Anteil des mit der neuen Virusmutation derzeit infizierten Anteils der Bevölkerung liegt irgendwo zwischen 0,1 und 1 Prozent. Geht man nun zusätzlich von der Annahme aus, dass die Verbreitung des Virus einem exponentiellen Wachstumsprozess folgt und geht man von dem derzeitigen Reproduktionswert von etwa 1,1 sowie einer 7-Tage-Inzidenz von 164 aus, kommt man in einer optimistischen Variante (die Virusmutation ist ca. 40 Prozent ansteckender und wenige sind bereits mit der Mutation infiziert) bis Ostern auf einen Inzidenzwert von etwa 500 Infektionen je 100.000 Einwohner. In einer pessimistischen Variante (mit der Annahme, dass die Virusmutation sehr viel ansteckender ist und viele bereits mit der neuen Mutation infiziert sind) auf eine 7-Tages Inzidenz von etwa 3500 Infektionen je 100.000 Einwohner. Der Durchschnitt beider Szenarien entspricht in etwa der von Frau Merkel genannten Verzehnfachung der Inzidenz.

Wo liegen die Probleme dieser Prognose?

Ein zentrales Problem der obigen Prognose liegt in der mangelhaften Qualität der zugrundeliegenden Daten. Die Corona-Mutation B.1.1.7 wurde erst im November 2020 in Großbritannien entdeckt. Daher liegen bisher auch nur wenige Informationen zum Ausbreitungsprozess dieser Mutation vor. Dies erklärt auch die erhebliche Bandbreite der geschätzten Ansteckungsgefahr der Mutation, die von 35 Prozent bis 70 Prozent ansteckender als die bekannte Version des Virus reichen. Da in Deutschland bisher keine systematische Analyse der Ausbreitung der Virusmutation erfolgt, fehlen zudem belastbare Informationen darüber, wie viele Personen sich bereits mit der neuen Variante angesteckt haben. Diese Information ist jedoch für die Prognose der wahrscheinlichen Inzidenzzahlen zu Ostern zentral. Entsprechend groß ist die Unsicherheit dieser Prognose, die zwischen einer 7-Tages Inzidenz zu Ostern von 500 bis 3500 je 100.000 reicht. Die bereits erwähnte Kritik an Prognosefehlern liegt jedoch an einer in der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend ignorierten Annahme von Prognosen: Prognosen können nur auf Basis des vorhandenen Wissens erstellt werden. Daher muss man immer annehmen, dass die Zukunft so verläuft wie die Vergangenheit. Darin liegt jedoch gerade eine der zentralen Aufgaben einer Prognose: Man schätzt die zukünftige Entwicklung, wenn alles so bleibt, wie es ist, um auf Basis dieser Prognose Handlungsnotwendigkeiten und -optionen diskutieren zu können. Damit ist aber jedwede Prognose bereits mit ihrer Veröffentlichung notwendigerweise falsch! Denn die Prognose selbst führt zu Verhaltensänderungen, damit unterscheidet sich die Zukunft von der Vergangenheit und die Prognose ist nicht mehr korrekt. Vergangene Prognosen ex-post zu kritisieren ist daher unfair – die Prognose hat mehr oder weniger selbst dazu beigetragen, dass sie nicht stimmt. Nehmen wir das Beispiel der Merkel’schen Prognose zu den Inzidenzzahlen zu Ostern. Wird diese nicht ernstgenommen und die derzeitigen Beschränkungen gelockert, wird es nach jetzigem Kenntnisstand sehr viel schlimmer kommen als vorhergesagt. Verschärft man die derzeitigen Maßnahmen massiv, weil man aufgrund der Prognose extrem besorgt ist, werden die vorhergesagten Inzidenzzahlen bei weitem nicht erreicht. Wie auch immer – alleine die Diskussion um diese Prognose wird dazu führen, dass sie falsch sein wird.

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Kategorisiert in Mechanik

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