Echte Zusammenarbeit im virtuellen Raum

Bild: Virtual Dimension Center Fellbach

Bei Concurrent-Engineering-Aktivitäten zum Beispiel können V/AR-Umgebungen einen signifikanten Beitrag leisten. Grundlegende Aufgaben wie die Verschmelzung verschiedener Datensätze oder die Überwindung von Distanz und Zeit können von V/AR-Umgebungen geleistet werden. Spezielle Stärken zeigen sie in der Kooperationsunterstützung zwischen unterschiedlichen Fachbereichen mit ihren jeweils eigenen Hintergründen, Begriffen und Arbeitskulturen. Einfach zu verstehende, interaktive und intuitive 3D-Darstellungen helfen dabei, Ideen, Lösungen, Abläufe und Prozesse zu erläutern und zu verstehen – gerade über Fachgrenzen hinweg. In der vergangenen Jahren sind sowohl die Anforderungen an und durch das kollaborative Engineering gewachsen, beispielsweise durch die Globalisierung mit ihren weltweiten Entwicklungsnetzwerken, durch gestiegene Produktkomplexität, höhere Aufwände für Forschung und Entwicklung, kürzere Entwicklungszeiträume, verstärkter Preiswettbewerb, verkürztes Time-to-Market, durch Wunsch nach größeren Innovationssprüngen, Qualitätserfordernissen, dem Wunsch zur Integration neuester Technologien und natürlich nun durch Quarantäne-Bestimmung zur Eingrenzung der Covid-19-Pandemie.

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Es geht um Wissen

Doch welche Probleme können V/AR-Umgebungen im Concurrent Engineering lösen? Letztlich geht es um die Behandlung von Wissen. Wir wissen heute, dass V/AR-Umgebungen vier Wissensarten behandeln können. Diese sind das Positionswissen (location knowledge), das Strukturwissen (structural knowledge), das Verhaltenswissen (behavioral knowledge) und das Prozedurwissen (procedural knowledge). Weitgehend korrespondierend werden durch V/AR-Umgebungen vier Formen des Lernens unterstützt: das prozedurale Lernen (prozedural learning), das Erlernen motorischer Fähigkeiten (perceptual motor skill learning), das räumliche und navigatorische Probieren (spatial learning and navigational rehearsal) sowie das konzeptuelle Lernen (conceptual learning). Neben dem Lernen und Lehren geht es bei kooperativen V/AR-Umgebungen aber natürlich auch um den Wissenstransfer der Beteiligten an sich, oder auch um dokumentatorische Aufgaben.

Bild: WeAre GmbH

Lokale Kooperationsansätze

Für die V/AR-Kollaboration existieren heute verschiedene technologische Ansätze. Lokale – also nicht verteilte – V/AR-Kooperation realisieren Firmen heute mittels Großprojektionen, Planungstischen (table top interfaces) und kollaborativer Augmented Reality. Großprojektionssysteme wie VR-Powerwalls können einfach aufgrund ihrer schieren Größe als Multi-User-Systeme eingesetzt werden. Eine größere Anzahl von Menschen kann sich vor der Projektion einfinden und die Sicht teilen. Diese Systeme stellen damit die einfachste Lösung für kooperatives Arbeiten dar. Von den Firmen Barco und Digital Projection gibt es sogar Projektoren im Angebot, die über Zeitmultiplex zwei oder drei unabhängige Benutzersichten gleichzeitig auf die VR-Powerwall werfen können. Planungstische eignen sich für die Bearbeitung kombinierter 2D/3D-Probleme im Design- und Evaluationsbereich. Anwendungsbeispiele finden sich in der Fabrikanordnungsplanung, Architekturplanung, Geo-Visualisierung und Städtebau. In all diesen Anwendungen benötigt der Nutzer zwei Ansichten: Zum einen wird eine 2D-Draufsicht aus der Vogelperspektive auf den Grundriss benötigt. Zum anderen möchte der Nutzer die 3D-Perspektive eines Avatars einnehmen, der sich innerhalb des Layouts befindet. Demnach vereint der Planungstisch-Ansatz den Blick auf die Karte mit der intuitiven Perspektive von jemandem, der sich genau innerhalb der Strukturen befindet, die er selbst gerade entwickelt. Das 2D-Layout wird horizontal präsentiert, auch table top genannt, während die 3D-Perspektive synchron an die Wand geworfen wird. Augmented Reality bezeichnet die ortsrichtige Überlagerung von 3D-Computergraphik über die natürliche Perspektive. AR erlaubt damit die Schaffung virtueller Räume, die in physische Umgebungen eingebettet sind. Dadurch, dass mehrere Personen AR-Geräte am gleichen Ort einsetzen, ergibt sich automatisch ein gemeinsamer Arbeitsraum. Dennoch hat jeder Nutzer seine eigene, individuelle Perspektive. AR-Systeme lassen sich häufig ohne aufwndige Spezialausrüstung einsetzen. Tablet-PCs und Smartphones können oft schon ausreichen, auch AR-Brillen sind natürlich denkbar. Ford hat diesen Ansatz prototypisch umgesetzt.

Bild: WeAre GmbH

Verteilte V/AR-Kollaboration

Vor dem Hintergrund aktueller Beschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit haben verteilte Virtuelle Umgebungen (VVUs) in den vergangenen Monaten enorm an Bedeutung gewonnen. Verteilte, kollaborative Virtual-Reality(VR)-, Augmented-Reality(AR)- und Mixed-Reality(MR)-Umgebungen ermöglichen die interaktive Zusammenarbeit in Echtzeit und über Distanz in einer gemeinsamen 3D-Szene. Diese 3D-Szene kann das in der V/AR gehaltene Positions-, Struktur-, Verhaltens- und Prozedurwissen also standortunabhängig verfügbar machen. Die Nutzer werden durch Avatare grafisch repräsentiert. Die Teilnehmer können miteinander via Sprache oder Gesten kommunizieren, sie können miteinander oder mit virtuellen Objekten interagieren. Anwendungsgebiete sind verteilte Planungs-/Design-Besprechungen, Trainings, Assistenzsysteme oder die Kommunikation mit Kunden, etwa für die virtuelle Abnahme. Vorteile verteilter V/AR-Anwendungen liegen in der Reduktion von Reisekosten und -zeiten, in der Beschleunigung von Reaktionszeiten und Entwicklungszyklen sowie in der Verringerung von Fehlerquoten. Insbesondere dann, wenn die interdisziplinäre Planung eines komplexen Objekts im Fokus steht, bieten diese Technologien ein großes Potential, da Informationen über die Visualisierung von 3D-Modellen in Echtzeit immersiv ausgetauscht werden können.

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