Herausforderungen flexibel bewältigen

Bild 1 | Virtualisierung hilft dabei, viele Herausforderungen bei der Instandhaltung und Aktualisierung der Hardware in Unterstationen zu bewältigen. An dieser Station in Finnland wurden entsprechende Feldversuche durchgeführt.
Bild 1 | Virtualisierung hilft dabei, viele Herausforderungen bei der Instandhaltung und Aktualisierung der Hardware in Unterstationen zu bewältigen. An dieser Station in Finnland wurden entsprechende Feldversuche durchgeführt.
Bild 1 | Virtualisierung hilft dabei, viele Herausforderungen bei der Instandhaltung und Aktualisierung der Hardware in Unterstationen zu bewältigen. An dieser Station in Finnland wurden entsprechende Feldversuche durchgeführt.
Bild 1 | Virtualisierung hilft dabei, viele Herausforderungen bei der Instandhaltung und Aktualisierung der Hardware in Unterstationen zu bewältigen. An dieser Station in Finnland wurden entsprechende Feldversuche durchgeführt.Bild: ABB

Auch wenn sie für gewöhnlich niemandem auffallen, gibt es sie überall dort, wo sich Wohnhäuser oder Industrie in nennenswertem Maße konzentrieren: Mittelspannungs-(MS-)Unterstationen (auch Umspannwerke genannt). Sie haben die Aufgabe, die Spannung aus dem Hochspannungsnetz herunterzutransformieren, und spielen somit eine entscheidende Rolle für die Stromversorgung von privaten und industriellen Verbrauchern. In modernen Unterstationen kommen in der Regel Geräte von verschiedenen Anbietern zum Einsatz, das heißt auf proprietärer Hardware laufen Anwendungen, die für die Funktion der Station entscheidend sind. Allerdings ist die Instandhaltung und Aktualisierung von vielen proprietären Geräten eine anspruchsvolle und teure Angelegenheit. Darüber hinaus sehen sich Betreiber von Unterstationen mit weiteren Herausforderungen konfrontiert – wie etwa der zunehmenden Anzahl von dezentralen Energieressourcen (DERs) im Verteilnetz. Damit verbunden sind zusätzliche Investitionen in die Intelligenz und Resilienz des Netzes. Hinzu kommt, dass Verteilnetzbetreiber (VNBs) generell unter ständigem Druck stehen, ihre Investitions- und Betriebskosten zu senken. Eine wirksame Möglichkeit, diese Herausforderungen zu bewältigen, ist die Einführung einer flexiblen und schnellen Implementierung von Anwendungen in Unterstationen. Damit haben VNBs nicht nur die Möglichkeit, Anwendungen verschiedener Anbieter auf derselben Hardware zu implementieren, sondern bei Bedarf auch Funktionalitäten hinzuzufügen oder vorhandene Funktionalitäten zu erweitern. Der Schlüssel zu einer solchen flexiblen und schnellen Implementierung von Anwendungen liegt in der Virtualisierung.

Bild 2 | Virtualisierung ermöglicht eine Entkopplung 
der Software von der zugrunde liegenden Plattform.
Bild 2 | Virtualisierung ermöglicht eine Entkopplung der Software von der zugrunde liegenden Plattform.Bild: ABB

Entkopplung von Software und Hardware

Das Konzept, Software mittels Virtualisierung von der zugrunde liegenden Hardware zu entkoppeln, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in der IT-Landschaft als sehr erfolgreich erwiesen. Tatsächlich ist die Virtualisierung das „Arbeitspferd“, das eine moderne Cloud-Infrastruktur ermöglicht, da sie die Hardwarekosten reduziert und die Wartung vereinfacht. Bei der Virtualisierung laufen Anwendungen in einer „virtuellen“ Umgebung, losgelöst von der tatsächlich zugrunde liegenden Plattform und isoliert von anderen auf der Plattform laufenden Anwendungen. Durch Virtualisierung lässt sich Software nahezu unabhängig von der zugrunde liegenden Plattform implementieren, ausführen, austauschen und migrieren. Darüber hinaus kann durch Virtualisierung eine hohe Verfügbarkeit und Resilienz bei überschaubaren Kosten gewährleistet werden. Diese Vorzüge der Virtualisierungstechnologie können VNBs dabei helfen, die Herausforderungen und Einschränkungen der Stationsautomatisierung zu bewältigen, und die Implementierung und Skalierung neuer Anwendungen erleichtern.

Bild 3 | Der Screenshot eines der seltenen Ereignisse in der Station zeigt, wie der multifrequente 
admittanzbasierte Erdfehlerschutz (auf die Millisekunde genau) gleichzeitig über alle drei 
Stationsinstanzen hinweg funktioniert.
Bild 3 | Der Screenshot eines der seltenen Ereignisse in der Station zeigt, wie der multifrequente admittanzbasierte Erdfehlerschutz (auf die Millisekunde genau) gleichzeitig über alle drei Stationsinstanzen hinweg funktioniert.Bild: ABB

Virtualisierung für die Stationsautomatisierung

Virtualisierung kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden:

3 Auf der Hardwareebene in virtuellen Maschinen (VMs), die die Funktionalität eines physischen Computers bereitstellen, ohne dass sich die Entwicklerin/der Entwickler mit der tatsächlichen physischen Hardware befassen muss.

3 Auf der Betriebssystemebene (OS) in sogenannten Containern. Im Gegensatz zu einer VM, die eine komplette Hardwaremaschine virtualisiert, virtualisiert ein Container die Softwareebenen oberhalb des OS und kann Prozesse isolieren und den Zugriff von Prozessen auf CPUs, Speicher usw. steuern.

3 Auf der Funktionsebene wie bei der serverlosen Datenverarbeitung (Serverless Computing). Hier sind zwar weiterhin Server beteiligt, aber losgelöst von der Anwendung, sodass die Entwickler/innen sich nicht um die Bereitstellung oder Verwaltung der Serverinfrastruktur kümmern müssen, da dies vom Cloud-Anbieter übernommen wird.

Im Hinblick auf die Stationsautomatisierung ergeben sich für die Virtualisierungstechnologie Herausforderungen, die es beim Cloud-Computing nicht gibt. Während in der Cloud üppige Rechen-, Speicher- und Netzwerkressourcen zur Verfügung stehen, sind die auf den Stationsgeräten verfügbaren Ressourcen eher bescheiden. Zudem laufen darauf Anwendungen mit unterschiedlicher Kritikalität (sicherheitskritisch und nicht sicherheitskritisch), von denen einige möglicherweise bestimmte Hardwarekonfigurationen – z.B. Unterstützung des Precision Time Protocols (PTP) in einer Netzwerkkarte – erfordern. Hinzu kommt, dass viele Stationsanwendungen mit speziellen Anforderungen an Reaktionszeiten und eine hohe Verfügbarkeit verbunden sind, die im Betrieb erfüllt werden müssen. Diese Anforderungen unterscheiden die Virtualisierung deutlich, wenn es um die Verteilungs- oder Stationsautomatisierung geht. Folglich ist für eine Bündelung mehrerer VMs oder Container auf Geräten eine sorgfältige Ressourcenbereitstellung und -zuordnung erforderlich. Ansonsten kann es aufgrund von Konflikten zu nichtdeterministischen Verzögerungen kommen, die die Echtzeitgarantien für die in den VMs oder Containern laufenden Anwendungen gefährden.

ABB hat die Anwendbarkeit der Virtualisierungstechnologie in MS-Unterstationen, insbesondere die Nutzung von Echtzeit-Schutz- und Steuerungsanwendungen in Linux-Containern untersucht, die eine Virtualisierung auf OS-Ebene ermöglichen. Dazu wurden mehrere Instanzen eines zentralisierten Stationsschutz- und -steuerungssystems auf demselben Host ausgeführt und die Echtzeit-Performance der Steuerungs- und Schutzanwendungen mithilfe maßgeschneiderter Lösungen zur Ressourcenbereitstellung und virtuellen Vernetzung demonstriert. Die folgende Beschreibung zeigt, wie entscheidend eine effektive Ressourcenbereitstellung und -verwaltung für eine erfolgreiche Virtualisierung in der Stationsautomatisierung sind.

Bild 4 | Die Ausführungszeiten zeigen eine gute Übereinstimmung mit den Anforderungen.
Bild 4 | Die Ausführungszeiten zeigen eine gute Übereinstimmung mit den Anforderungen.Bild: ABB

Implementierung und Ressourcenmanagement

Im Rahmen der Forschungsarbeit wurde die Möglichkeit zur Ausführung anspruchsvoller Echtzeit-Anwendungen in Linux nicht nur mithilfe einer Virtualisierung auf OS-Ebene mit Containern, sondern auch mit VMs untersucht. Die Grundlage des Testsystems bildet ein Linux-Kernel mit einem PREEMPT-RT-Patch, der den Linux-Kernel um Echtzeitfähigkeiten erweitert. Auch wenn sich PREEMPT-RT nicht für sehr schnelle Echtzeit-Aufgaben mit Latenzanforderungen im Bereich von wenigen Mikrosekunden eignen mag, werden für Stationsautomatisierungsanwendungen in Wirklichkeit nur die realistisch erreichbaren Latenzen im Millisekundenbereich benötigt.

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