Interview: BIM im Bestand

A block of offices at night in London, England.
A block of offices at night in London, England.

Die Elektrifizierung kurbelt die Komplexität weiter an. Wie lässt sich z.B. der Sektor Elektromobilität integrieren?

Hettig: Wenn Sie so wollen, ist Elektromobilität nichts weiter als ein großer elektrischer Verbraucher. Vielen ist aber nicht bewusst, dass der Strom dafür nicht einfach aus der Steckdose kommt. Verantwortlichen muss klar sein, dass sie ihr elektrisches Netz und ihren Anschluss aufrüsten müssen. Und wenn sie das nicht können, dann müssen sie eine Energieoptimierung in ihren Prozessen anstreben, um Energie für die Elektromobilität, also zum Laden der Elektroautos zur Verfügung stellen zu können. Dieses Energiemanagement ist ein Subsystem des gesamten Energiemanagementsystems. Mit dem Gesamtenergiemanagementsystem, das ich dann installiere, bin ich in der Lage, Leistungen freizumachen, die ich wieder für den Ladeprozess verwenden kann.

Josef Karl: Wir reden immer vom Energiemanagement. Das, was wir nach der ISO50001 unter Energiemanagement verstehen, ist ein Monitoring. Da ist es wichtig, Transparenz zu schaffen, damit wir kritische Verbraucher und Stromfresser entdecken. Aber wir müssen zwingend in ein intelligentes Energiemanagement investieren. Ähnlich wie wir es in einem Microgrid haben, müssen wir einen logischen Zusammenhang zwischen Erzeuger und Verbraucher schaffen, um einen möglichst hohen Eigenverbrauch hinzukriegen. Damit ich alles, was ich lokal erzeugen kann, auch bestmöglich verbrauche, um wenig Netzrückwirkungen zu haben. Und dann kommen wir an einen weiteren Punkt: Schneider Electric kann zwar sehr vieles, aber leider noch nicht alles. Eine Wärmepumpe bauen wir z.B. nicht. Wir müssen also dabei auch herstellerunabhängig sein. Diese herstellerunabhängige Kommunikation zwischen den Gewerken aufzubauen, ist nicht ganz so trivial. Da sind wir mit sehr vielen Partnern im Gespräch, um dann von kleinen bis zu Einheiten alles realisieren zu können. Dann schaffen wir früher oder später auch diese Sektorenkopplung und diese Energieträgersubstitution. Das geht dann von der Planung bis in alle Bereiche der Elektroindustrie hinein. So kommen wir zu einer Gebäude-Energie-Leittechnik, bei der die Einheiten verschmelzen (Sektorenkopplung) und wir nachhaltig CO2 einsparen.

Hettig: Der Elektroinstallateur braucht eine Plug&Play-Lösung. Er benötigt wirklich einen Baustein, der in die Verteilung integriert wird. Dann schließt er die Komponenten an, setzt ein paar Haken in der Softwareoberfläche und dann läuft alles. Das ist ein Home-Energiemanagement-System. Das ist das Ziel. Was aber entscheidend ist: Die Grundlage ist immer das Gebäude an sich, so wie es existiert. Und wenn es davon keinen digitalen Zwilling gibt, dann haben Sie im Prinzip nichts.

Bild: Schneider Electric GmbH

Können Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz (KI) beim Monitoring helfen?

Karl: Ich glaube, dass KI einer der Schlüssel ist. Denn wir haben so viele verschiedene Systeme, die können wir überhaupt nicht mehr alle überblicken. Ein Beispiel: Wenn ich heute ein intelligentes Gebäude habe mit einer Wärmepumpe, einer Lüftung und Beleuchtung, dann kann ich das noch optimal betreiben. Indem ich z.B. sage, ich öffne gewisse Stockwerke erst dann, wenn sich auch genügend Mitarbeiter darin aufhalten. Aber wenn ich jetzt die Wärme erzeugen möchte, kommend von meiner PV-Anlage, dann wäre es ja z.B. auch interessant zu wissen, wie das Wetter wird. Und diese ganzen Optimierungsthemen, die kann ich jetzt noch weiter aufdröseln, bis hin zum Strommarkt. Und dann sieht man: Das kann ein Mensch nicht mehr beherrschen. Da spielen ganz viele Verbrauchsverhalten in einem Gebäude mit. Es spielen ganz viele Versorgungspläne mit. Das wird dermaßen komplex, das würde jeden überfordern. Und das ganze System funktioniert natürlich auch nur dann, wenn ich weiß, meine Assets spielen mit. Wenn es den Transformatoren oder den Kühlanlagen schlecht geht, wenn sie außerhalb von zulässigen Betriebsbereichen sind – auch das muss ich erkennen. Wir nennen das System Health, also eine permanente, vorausschauende Zustandsbewertung. Wenn das nicht gegeben ist, dann helfen mir die schönsten Prozesse nichts. Künstliche Intelligenz wird der Schlüssel sein, um trotz steigender Komplexität einen logischen Zusammenhang von Erzeuger und Verbraucher hinzukriegen.

Gibt es hierfür bei Ihnen bereits Lösungen, die im Einsatz sind?

Hettig: Ich würde den Begriff künstlich durch selbstlernend ersetzen. Maschinen lernen ja, Entscheidungen zu treffen. Wir haben dazu Produkte wie den Building Advisor. Dieser ist immer daran gescheitert, dass die Facility Manager im Betrieb gesagt haben: Ist ja schön, dass du da einem hochbegabten Techniker kryptisch in einer Bedienoberfläche sagst, wo jetzt was zu tun ist. Meine Jungs, die vor der Maschine hocken, haben ein rudimentäres Technikverständnis und die brauchen eigentlich jetzt die Aufforderung: Ruft den Kundendienst an, mit dem wir einen Servicevertrag haben: Die sollen jetzt tätig werden. Wir haben deshalb den Building Advisor mit der CAFM Software Itwo FM verbunden. Und der macht jetzt genau das, was Josef Karl beschrieben hat. Er ist in die Anlage implementiert und besitzt eine Analytik, die den Zustand überwacht. Das ist eine Cloud-Applikation. Das Monitoring erfasst Tausende von Gebäuden und immer, wenn ein Fehler gefunden wird, dann wird dieser gemapt. So lernt das System. Wenn z.B. eine Kühleinheit Wasser verliert, dann stellt das System fest: Da findet eine Veränderung statt, da muss etwas getan werden. Der Building Advisor sagt dann der Facility Management Software: Bei Einheit 25 ist ein Defekt, schau doch mal nach. Da könnte man auch automatisieren, dass die Software prüft, ob ein Wartungsvertrag vorhanden ist, und eine entsprechende Anweisung zur Wartung auslöst. Diese Art von Tools und Software, das ist etwas, wo uns KI/Machine Learning heute schon hilft und in Zukunft noch stärker helfen wird. Neben der steigenden Komplexität der Systeme sind es auch die nicht vorhandenen Fachkräfte, die uns herausfordern, die Komplexität zu verringern. Das betrifft den Prozess, wie Anlagen geplant und errichtet, aber auch wie sie betrieben werden. Deswegen ist es ganz wichtig, dass die vorhandene Fachkompetenz digitalisiert wird. Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt, den wir auch mit dem EcoStruxure-Ansatz verfolgen. Die in diesem Rahmen entstehenden Advisors sollen im Prinzip die Fachkräfte unterstützen, komplexere Aufgaben einfacher lösen zu können.

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