Künstliche Intelligenz für KMU

Bild: acatech – Dt. Akademie der Technikwissenschaften

Mehr als 65 Jahre nachdem die Bezeichnung Künstliche Intelligenz (KI) erstmalig verwendet wurde, erhält die Technolgie durch neue Entwicklungen im Bereich von Hard- und Software sowie eine gesteigerte Datenverfügbarkeit für die industrielle Produktion eine neue Relevanz. Werden die Möglichkeiten zielgerichtet genutzt, versprechen KI-Anwendungen große Potenziale für Unternehmen und Wirtschaftsstandorte. Im Rahmen der Expertise ‚Künstliche Intelligenz zur Umsetzung von Industrie 4.0 im Mittelstand‘ des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0, die vom PTW der TU Darmstadt erstellt wurde, konnten vor allem in den Bereichen Produkte, Dienstleistungen und Automatisierungstechnik Anwendungsfelder von KI identifiziert werden, in denen Unternehmen bereits erfolgreich aktiv sind. Während KI in Form von maschinellem Lernen bereits in einigen Produkten und Komponenten der Investitionsgüterindustrie Anwendung findet, wird ihr Einsatz zur Verbesserung interner Prozesse noch zurückhaltend beurteilt. Es sind vor allem größere Unternehmen, die Potenziale von KI für ihre Unterstützungsprozesse nutzbar machen, z.B. in der Produktentwicklung oder der Qualitätskontrolle. Für produzierende Unternehmen bietet sich der Einsatz KI-basierter Anwendungen darüber hinaus in Form einer selbststeuernden Lagerüberwachung, einer selbstlernenden Qualitätsüberwachung oder bei der Durchführung von Ursachenanalysen an. Zwar bescheinigen viele Befragte dem KI-Einsatz großes Potenzial, jedoch sind bisher wenige Unternehmen auf diesem Feld aktiv. Als häufig genannte Hemmnisse wurden mangelnde Fachkenntnisse der Mitarbeiter, eine mangelhafte Datenbasis und eine unzureichende digitale Infrastruktur ermittelt. Diese Hemmnisse gelten als wichtiger Grund für die Diskrepanz zwischen den hohen Erwartungen und der fehlenden Aktivitäten. Zudem hat Bitkom Research ermittelt, dass die Einstellung gegenüber KI auch von der Unternehmensgröße abhängig ist: Je kleiner die Unternehmen sind, desto kritischer stehen sie KI-Technologien gegenüber. Im Bewusstsein dieser Herausforderung richtete das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Kompetenzzentren in unterschiedlichen Regionen Deutschlands ein. Diese sollen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kostenfrei bei der Implementierung digitaler Lösungen und Industrie-4.0-Technologien unterstützen. Beispiele aus der praxisnahen Arbeit der Kompetenzzentren sowie aus der Verbundforschung mit Industrieunternehmen illustrieren die Problematik bei der Einführung von KI für die Umsetzung von Industrie 4.0 in KMU: Das Erheben geeigneter Daten, das Entwickeln bzw. Implementieren preisgünstiger Hardwarelösungen, das Bewältigen von Programmieraufgaben in KI-Softwarepaketen sowie das Übertragen von Lösungen bei einer hohen Variantenvielfalt stellen Unternehmen des Mittelstands vor hohe Hürden. Darüber hinaus fehlt in vielen Fällen schlicht die Orientierung, welche Prozesse oder Produkte für einen Einsatz von KI priorisiert werden sollten und wie vorzugehen ist.

Bild: acatech – Dt. Akademie der Technikwissenschaften

Strategische Auseinandersetzung

Für Unternehmen, die KI-Potenziale ausschöpfen möchten, empfiehlt sich zunächst eine strategische Auseinandersetzung mit dem Thema KI im eigenen Unternehmen, z.B. in Form einer SWOT (Strength-Weakness-Opportunity-Threat)-Analyse. Dabei ist es sinnvoll, in zwei Richtungen zu sondieren: Einerseits sollten die Möglichkeiten zur Aufwertung eigener Produkte und Dienstleistungen (Steigerung des Kundennutzens) geprüft werden, andererseits sollten unternehmensinterne Prozesse und Abläufe auf Verbesserungs- und Automatisierungsmöglichkeiten untersucht werden (Steigerung der Prozessleistung). Bei der Vertiefung der identifizierten Handlungsfelder helfen KMU ihre i.d.R. flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswege sowie ein breit gefächertes Unterstützungsangebot seitens der öffentlichen Hand. Um die erste Orientierung beim Umgang mit KI zu verbessern sowie ihre konkrete Einführung zu erleichtern, wird im Folgenden ein Leitfaden vorgestellt.

Bild: acatech – Dt. Akademie der Technikwissenschaften

Sinnvolle Anwendungsfälle

Der Leitfaden soll erste Anhaltspunkte für den möglichen Ablauf von KI-Projekten bieten. Er richtet sich im Besonderen an das Führungspersonal in KMU des Maschinen- und Anlagenbaus. Dabei gilt es, zunächst abzuwägen, für welche Anwendungsfälle in der Produktion ein Einsatz sinnvoll ist. Mithilfe eines Vorgehensmodells können geeignete Problemstellungen identifiziert und durch Anwendung von KI gelöst werden. Dabei handelt es sich um einen dreistufigen Prozess, für den mehrere Ausfallpunkte definiert sind. An diesen Ausfallpunkten wird u.a. geprüft, ob eine Anwendung von KI aus technischer und finanzieller Perspektive möglich ist. Der Prozess teilt sich in die Stufen Problemselektion, Lösungsentwurf und Lösungsentwicklung auf. Ausgangspunkt ist eine Menge zuvor identifizierter, unternehmens- oder kundenspezifischer Probleme sowie ein interdisziplinäres Projektteam, das den Prozess gemeinsam durchläuft.

Problemselektion

Die Problemselektion leitet den Prozess ein. Ziel ist es, die vorhandenen Produktions- oder Kundenprobleme hinsichtlich unterschiedlicher Kriterien (u.a. Relevanz und Komplexität) gegeneinander abzuwägen und schließlich eine geeignete Problemstellung für ein KI-Projekt zu identifizieren. Sinnvollerweise werden zunächst weniger komplexe Probleme adressiert, die aber sehr relevant für das eigene Unternehmen sind. In der anschließenden Phase des Lösungsentwurfs wird der vorhandene Ist-Zustand visualisiert und ein möglicher Soll-Zustand entworfen. Durch Gegenüberstellung der beiden Zustände werden Maßnahmen identifiziert, auf deren Grundlage eine finanzielle Bewertung stattfinden kann. Im Falle einer positiven Bewertung wird der Lösungsentwurf in der abschließenden Phase Lösungsentwicklung bearbeitet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert