Kleine Bauteile, große Wirkung: Steckverbinder im Wandel der Automatisierung

Welche Trends und Herausforderungen sehen Sie im Markt für Steckverbinder in der Automatisierung? Welche Lösungen entwickeln Sie bzw. bieten Sie an?

Eric J. Halvorson, DigiKey: Da sich der Markt für industrielle Automatisierung weiterentwickelt, drängen viele Partner von DigiKey, die Steckverbinder herstellen, stark auf den Markt für industrielle Verbindungen. Dazu gehören alle Arten von schweren Steckverbindern bis hin zu Steckverbindern für den Einsatz im Gelände. Auch Rundsteckverbinder sind nach wie vor sehr beliebt, insbesondere wenn es um erhöhte Schutzarten geht, die von M5 bis hin zu M12 reichen. Wir sehen einen Trend zu Steckverbindern mit höherer Dichte, die für höhere Spannungen und höhere Datenübertragungsgeschwindigkeiten geeignet sind. Diese Steckverbinder bieten jetzt ein höheres Schutzniveau mit besserer Vibrations- und Stoßfestigkeit sowie EMI/EMC-Schutz. Ein weiterer Wachstumsbereich bei Steckverbindern ist der Energiesektor – von Hochleistungs-Photovoltaik-Steckverbindern bis hin zu Batterie-Steckverbindern. Da wir die erneuerbaren Energien weiter vorantreiben, bieten sich hier große Chancen für die Hersteller.

Verena Neuhaus, Phoenix Contact: Wir arbeiten kontinuierlich daran, die aktuellen Trends und Anforderungen des Markts in innovative Lösungen zu überführen, mit denen wir den Bedürfnissen der modernen Automatisierung gerecht werden. Dazu gehören nachhaltige Steckverbinder: Bereits heute finden immer mehr Lösungen ihren Weg in unsere Produktpalette, die aufgrund von Prozessoptimierungen und dem Einsatz nachhaltigerer Materialien deutlich verbesserte CO2-Bilanzen aufweisen. Robuste Lösungen sind ebenfalls ein großes Thema, denn in der Industrie sind Steckverbinder extremen Belastungen ausgesetzt, wie Feuchtigkeit, hohe Temperaturen sowie Vibrationen oder Schocks. Dafür haben wir Steckverbinder für eine langanhaltende, stabile und hochperformante Verbindung entwickelt. Die stetige Verbesserung der Daten für den digitalen Zwilling spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Durchgängig digital beschriebene Artikel sind die Basis für effizientes Engineering und schlanke Prozesse. Daher stellen wir unseren Kunden umfangreiche Produktdaten inklusive 2D-/3D-Daten für ihre CAD-Software bereit. Im Sinne hoher Anlagenverfügbarkeit ermöglichen intuitiv bedienbare Steckverbinder eine einfache und sichere Installation und reduzieren das Risiko von Verbindungsfehlern und Ausfällen. Ein weiterer Trend: Gerätesteckverbinder für die automatisierte Verarbeitung in den Montageprozessen, um Leiterplatten effizient bestücken und prozesssicher zu verarbeiten.

Nasir Mahmood, Stäubli Electrical Connectors: Es tut sich viel in der Verbindungstechnik. Trends wie Miniaturisierung, Smart Factory und Digital Twin erfordern hochdichte Steckverbinder, hohe Datenraten und smarte Verbindungstechnik. Eine große Herausforderung sind kompakte Lösungen für industrielle Anwendungen, die alle benötigten Verbindungen auf kleinstem Bauraum kombinieren. Modulare Steckverbinder sind prädestiniert für solche kompakten hybriden Schnittstellen und beinhalten die benötigten Ethernet-Verbindungen. Ein weiteres großes Thema heute sind Beschaffungsketten und Nachhaltigkeit. Für mehr Sicherheit und Redundanz sowie kurze Transportwege werden Produktionslinien verlagert oder in anderen Ländern und Kontinenten identisch aufgebaut. Dies bedeutet, dass die Steckverbinder internationalen Sicherheitsstandards und Normen entsprechen müssen. Mit unseren Neuentwicklungen unterstützen wir die rasante technische Entwicklung mit Lösungen für höhere Ströme, kleinere Bauräume und 10GBit-Datenraten. Für sichere und effiziente Produktionsprozesse favorisieren wir langlebige Komponenten und einfache Installationsprozesse wie die werkzeuglose Montage von Steckverbindern mit Click&Connect.

Marco Henkel und Florian Hackemeier, Wago: Die Trends liegen ungebrochen in der Handhabung und Miniaturisierung der Geräte und damit auch der Steckverbindungen. Gerade die Anforderung nach Miniaturisierung bei gleichzeitig steigendem Interesse nach einfacher, schneller und fehlersicherer Vor-Ort-Feldkonfektion sind der Trend, dem sich Wago hier explizit stellt. Wir weiten in diesem Themenfeld unser Angebot insbesondere im Bereich der Hebelanschlusstechnik konsequent aus, weil wir hiermit die universellste und weltweit einfachste Art der Feldkonfektionierung ermöglichen – über den gesamten Leistungs- und Anschlussbereich der Geräte von I/O-Signalen bis hin zur Leistungsversorgung mit 25mm²-Leitern. Dieses ermöglicht dem Geräteentwickler völlig neuartige Möglichkeiten der Standardisierung bei werkzeugloser, schneller und intuitiver Anschlusstechnik.

René Arntzen, Weidmüller: Die auschlaggebenden Themen rund um Steckverbinder für Geräte der Automatisierung sind Robustheit, sichere Handhabung, Modularität, Miniaturisierung und Effizienzsteigerung. Für die robuste Datenübertragung, auf miniaturisiertem Bauraum realisiert Weidmüller Steckverbinder für Single Pair Ethernet. Hierbei richten wir uns bereits bei der Entwicklung an die erhöhten Anforderungen der Industrieautomatisierung. Anders als bei herkömmlichen Ethernet-Lösungen werden Steckverbinder aus der IT-Infrastruktur in die Industrie übernommen. Darüber hinaus kommen wir mit der neu entwickelten Anschlusstechnologie Snap-In den Wünschen der Kunden in Bezug auf eine sichere Handhabung von Steckverbindern und einer deutlichen Effizienzsteigerung in der Verdrahtung nach. Das Prinzip ist so einfach wie die Handhabung: Der abisolierte Leiter wird direkt in die offene Anschlussstelle eingesteckt und mit einem hörbaren Klick rastet der Pusher ein und kommt sichtbar hervor. Durch einfaches Betätigen des Hebels lässt sich die Anschlussstelle wieder öffnen und der angeschlossene Leiter kann entnommen werden. Damit werden vollautomatisierte Verdrahtungsprozesse bereits heute Realität.

Single Pair Ethernet war vor zwei Jahren ein heiß diskutiertes Thema bei Steckverbindern – es scheint ruhiger geworden zu sein. Wie steht es aktuell um die Technologie?

Michael Schlagenhaufer, Conrad Electronic: Interesse ist nach wie vor im ganzen Markt vorhanden. Die Kunden befinden sich in einer Design-In-Phase und beschäftigen sich ausführlich mit der Technologie. Das Interesse hat sich also nicht verringert, sondern lediglich verlagert. Hohe Datendurchsätze werden weiterhin in allen Anwendungen zunehmen. Wenn die Ergebnisse mit weniger Aufwand, sprich ein Paar statt zwei Paar, erzielt werden können, verspricht das ein geringeres Gewicht, weniger Material und somit einen besseren Output insgesamt. Das Thema wird kommen. Davon bin ich überzeugt. Es scheint mir, als fehlten dem Markt im Moment noch starke Signale in Form von Leuchtturmprojekten großer beziehungsweise namhafter Player, um das Thema in der Praxis ins Rollen zu bringen.

Eric J. Halvorson, DigiKey: Jede neue Technologie, jedes neue Protokoll oder jeder neue Standard braucht eine gewisse Zeit, um sich durchzusetzen. Wenn wir uns die Geschichte von Ethernet ansehen, gab es keine sofortige Akzeptanz, bis die Verkabelung durch den Wechsel von Koaxialkabel zu Twisted Pair leichter wurde. Es wurde Anfang der 1980er-Jahre auf den Markt gebracht, setzte sich aber erst Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in der Netzwerkkommunikation durch. Im Vergleich dazu ist SPE noch sehr jung. Die größte Verzögerung bei der Einführung von SPE ist meiner Meinung nach der Mangel an Hardware, die diese Technologie unterstützt. Derzeit sind die meisten Switches, Hubs, Gateways und Router für Cat5, Cat6, Cat6A usw. ausgelegt. Es gibt einige Hersteller, die jetzt mit Produkten auf den Markt kommen, die SPE unterstützen, aber wir sind noch sehr früh in der Umstellung.

Verena Neuhaus, Phoenix Contact: Wir haben das Thema SPE bei Phoenix Contact in einer sehr frühen Phase für uns als eine Schlüsseltechnologie für die zukünftigen Anforderungen in der Automatisierungswelt gesehen. Aus diesem Grund haben wir frühzeitig begonnen, ein breites SPE-Portfolio an Steckverbindern, Patch-Kabeln und seit neustem auch SPE-Switchen aufzubauen. Mit der Verfügbarkeit dieser Produkte und der Weiterentwicklung neuer SPE-Standards, Halbleitern sowie Aktivkomponenten und Produkten zur Konnektivität sind wir noch lange nicht am Höhepunkt der SPE-Technologie angelangt. Anwender erkennen erst allmählich die neu geschaffenen Möglichkeiten und den Mehrwert von SPE in verschiedensten Anwendungsbereichen und sprechen offen über erste Projekte. Von der ersten Konzeptidee, über die Entwicklung, bis hin zur Implementierung von SPE in neuen Produkten und Anlagen ist erfahrungsgemäß mit einem Realisierungszeitraum von fünf bis zehn Jahren zu rechnen. Verglichen mit den Entwicklungs- und Realisierungszeiten vergangener Ethernet-Derivate ist SPE hier bereits sehr schnell unterwegs. Wir arbeiten im Bereich der Standardisierung, Produktentwicklung und mit ersten Kundenprojekten an der Entwicklung und Durchsetzung von Single Pair Ethernet mit. So haben wir z.B. die Standardisierung der ersten SPE-M12-Hybridsteckverbinder mitgestaltet und entwickeln hier ebenfalls erste Produkte für die aktuellen und zukünftigen SPE-Standards.

Nasir Mahmood, Stäubli Electrical Connectors: Als neue Technologie muss Single Pair Ethernet nicht nur in Infrastruktur und Produkte integriert werden, sondern auch in die entsprechenden Normen. Das wird nicht von heute auf morgen umgesetzt. Auch wenn die Verkabelung mit SPE im Vergleich zu mehrpaarigen Ethernet-Kabeln kostengünstiger, einfacher und platzsparender ist, erfordert die Umstellung Zeit und Geld. Wir haben die Technologie und das Knowhow, um SPE-Produkte zu entwickeln und wir beobachten den Markt für finale Produktentwicklungen.

Marco Henkel und Florian Hackemeier, Wago: Der Schein trügt. Die Technologieentwicklung schreitet sehr gut voran und das Anwenderinteresse wird immer größer. Wir haben auf der Light + Building 2024 einen Technologiedemonstrator gezeigt und gemeinsam mit weiteren Firmen aus dem Bereich der Gebäudetechnik ein Positionspapier veröffentlicht. Beides wurde von den potenziellen Anwendern sehr gut angenommen. Mit unserer Plus-Mitgliedschaft bei der Single Pair Ethernet System Alliance zeigen wird nicht nur unser Engagement, sondern unterstreichen unsere Überzeugung, dass SPE als richtungsweisende Technologie branchenübergreifend die Art der Kommunikationsverkabelung nachhaltig ändern wird. Das Thema Steckerverbinder ordnet sich der Technologieimplementierung unter. Da es nur des Anschlusses von zwei Leitungen und gegebenenfalls eines Schirms bedarf, wird es eine Vielzahl von Anwendungen und Geräten – gerade im Umfeld von 10Base-T1 – geben, die ohne spezifische Steckverbinder auskommt. Für Industrieanwendungen mit höherem Datendurchsatz wird sich das präferierte Steckgesicht noch etablieren müssen. Hier sind die Nutzerorganisationen gerade erst in der Formulierung der Anforderungen für die jeweiligen Anwendungsfelder.

René Arntzen, Weidmüller: Mit Blick auf die Vielzahl an Kundenanfragen sowie die fortlaufende Entwicklung in den spezialisierten Unternehmen lässt sich keineswegs von Stagnierung oder Stillstand reden. Im Gegenteil: Single Pair Ethernet ist nicht mehr aufzuhalten, was nicht zuletzt an der Verbreitung des Ethernets in der Industrie liegt. Das Interesse an SPE ist konstant auf einem hohen Level. Wir können dies aus eigener Erfahrung bestätigen, denn im vergangenen Jahr haben uns viele große Sensorikhersteller darauf angesprochen. Die Sensoren werden immer komplexer, aber der Platz bleibt knapp. Da ist ein System, das einen Sensor mit nur einem Kabel gleichzeitig mit Energie und mit Ethernet-Daten versorgen kann, sehr attraktiv. Feedback kam auch von Anlagenherstellern aus der Prozess- und Gebäudeindustrie sowie aus den Bereichen Factory und Maschinenbau. Alle wollen jetzt Single Pair Ethernet einsetzen.

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