Der digitale Prozesszwilling

Bild: GBTEC Software AG

Meist wird der Digital Twin als Spiegelbild eines materiellen Objekts verstanden. Er soll helfen, das Verhalten eines Objektes zu messen und zu optimieren. Dieser ‚Digital Object Twin‘ ist z.B. das Gegenstück einer Fabrik mit ihren Maschinen oder einer Fertigungsstraße und enthält alle Daten und Informationen dazu. Der Ansatz kann aber auch immaterielle Vorgänge abbilden und optimieren helfen. Im Business Process Management (BPM) spricht man hier vom Digital Process Twin. Die Grundfunktion ist die digitale Abbildung eines bestimmten Prozesses, also z.B. ‚Procure to Pay‘, ‚Order to Cash‘ oder ‚Record to Report‘. Dabei ähnelt die Funktionsweise des Prozesszwillings dem des Object Twins: Er identifiziert über digitale Prozessabbildungen und Simulationen Ressourcenengpässe, fehlerhafte Prozessausführungen, Zeitverschwendungen und Leerläufe und übermittelt diese an Prozessverantwortliche sowie Prozessbeteiligte.

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Prozesse transformieren

Damit ist das Potenzial nicht erschöpft. Es geht vielmehr um die Integration der verschiedenen Formen von digitalen Zwillingen für Prozessveränderungen im gesamten Unternehmen. Am Beispiel der Anlagensteuerung wird ersichtlich, dass sich auch die Routenplanung und Urlaubsplanung der Techniker, die Planung der Fertigung, das Pricing der Endprodukte bis hin zur Logistik und Auslieferungszeit mit digitalen Zwillingen simulieren, planen, optimieren und steuern lassen. Alles greift ineinander. In der Praxis kann ein solcher Ansatz aufdecken, welche Prozessschritte simultan statt sequenziell ablaufen können, um den Prozess zu beschleunigen. Oder er präsentiert Optionen, wie die Sequenz geändert werden kann, um Fehler und Leerläufe zu vermeiden oder auf Ereignisse und Risiken zu reagieren. Dieses Potenzial von Digital Twins, über Einzelprozesse hinauszukommen – bis hin zum Digital Organization Twin – entdecken Firmen aller Branchen gerade erst.

Prozessbeschreibung ohne Stoppuhr

Ein Unterschied zum Business Process Management früherer Tage ist, dass die Prozessverantwortlichen nicht mehr Arbeitsabläufe mit Stoppuhr und Arbeitsplatzbeobachtung analysieren müssen. Die digitalen Prozesszwillinge werden stattdessen auf der Basis von Process Mining oder Low Code modelliert und mit Daten angereichert. So können Unternehmen Prozesstransparenz schneller erreichen. Sie können Veränderungen früh in der Simulation durchspielen und Optimierungspotenzial finden: Wie sollen Prozesse zukünftig aussehen? Welche Ressourcen und Systeme benötige ich dafür? Was kostet der Prozess? Die Antworten des Prozesszwillings erleichtern strategische Entscheidungen der Unternehmensführung zu Standorten, Personal und Investitionen. Ein weiterer Unterschied ist, dass der digitale Zwilling direkt ausführbare Prozess-Workflows bieten kann (Process Execution). Unternehmen können somit viel zügiger als früher von der Ist-Analyse der Prozesse über die Soll-Simulation zukünftiger Prozesse bis zur Implementierung kommen. Ein solches Konzept basiert auf dem Aufbau von immer mehr Digital Twins und deren Integration innerhalb eines Frameworks, wie es etwa die Firma GBTEC anbietet.

Planbares Projekt

Um eine solche Prozessumgebung einzurichten, starten Unternehmen in der Regel mit einer Prozessanalyse. Künftige Abläufe sollen auf Machbarkeit, Nutzen und Digitalisierungspotenzial untersucht werden. Mit Process Mining können Echtdaten aus bestehenden IT-Systemen extrahiert und Schwachstellen evaluiert werden. Prozesse werden in Modellen erfasst und möglichst realitätsgetreu abgebildet und simuliert. Um ein noch besseres Gespür dafür zu bekommen, wie sich digitale Prozesse anfühlen, werden diese mit Low-Code-Technologie in digitale Prototypen überführt. Damit wird Beteiligten früh vermittelt, wie das digitale Vorhaben einmal aussehen wird.

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