50 Jahre MultiBore

Farbleitsystem zum Zusammenstellen des Komplettsystems
Farbleitsystem zum Zusammenstellen des Komplettsystems
Farbleitsystem zum Zusammenstellen des Komplettsystems
Farbleitsystem zum Zusammenstellen des KomplettsystemsBild: Wohlhaupter GmbH

Noch bis Anfang der 1970er Jahre war die Welt des Maschinenbaus eine andere. Für die Bohrungsvorbearbeitung und das Feindrehen kamen universelle Plan- und Ausdrehköpfe zum Einsatz. Diese hatten einen Schaft integriert, der speziell für die Maschinenspindel des entsprechenden Maschinenherstellers ausgelegt war. Viele dieser Werkzeuge kamen aus dem Hause Wohlhaupter mit Sitz in Frickenhausen, sodass sich in der Branche bereits der Gattungsname ‚Wohlhaupter‘ durchgesetzt hatte. Maschinen mehrerer Hersteller wurden damals auch schon werkseitig mit einem (Original-)’Wohlhaupter‘ ausgeliefert.

Allerdings hatte jeder Maschinenbauer seine eigenen Plan- und Ausdrehköpfe, auch wenn diese zum Teil vom selben Hersteller stammten. Da es keine genormte Spindelverbindungsstellen gab, war der Einsatz der Köpfe auf Maschinen anderer Hersteller nicht möglich, denn die Aufnahmen unterschieden sich. Für den Anwender bedeutete dies, dass er für jede Maschine eines bestimmten Typs eigene Werkzeuge vorhalten musste. Unternehmen mit großen Maschinenparks betrieben in aller Regel Werkzeugmaschinen unterschiedlicher Hersteller. Das Vorhalten der jeweils passenden Werkzeuge gestaltete sich teuer und aufwändig. „Bei Wohlhaupter gab es damals viele Ordner voll mit Zeichnungen von firmenspezifischen Grundaufnahmen für die jeweiligen Maschinen“, berichtet Dieter Dolde, der Anfang der 1970er kurz nach seiner Lehre an der Entwicklung des MultiBore Programms mitwirken durfte. Im ersten Schritt wurden bei Wohlhaupter die universellen Plan- und Ausdrehköpfe – kurz UPA – mit einer sogenannten DS-Verbindungsstelle zur Grundaufnahme ausgestattet; das reduzierte erheblich die Anzahl der Werkzeuge.

Maho MH 2000, werkseitig 
ausgeliefert mit MultiBore
Maho MH 2000, werkseitig ausgeliefert mit MultiBoreBild: Wohlhaupter GmbH

Modulare Werkzeuge – eine revolutionäre Idee

Die Entwicklung ging weiter… und mit dem Einzug der Bearbeitungszentren ließ die Nachfrage nach manuell bedienbaren Plan- und Ausdrehköpfen sowie Standard-Ausdrehwerkzeugen mit festen Schäfte nach. Die Forderungen nach universell einsetzbaren, modularen Werkzeugen kamen auf. „Es lag daher nahe, statt eines einteiligen ‚Wohlhaupters‘ das Werkzeug modular zu konstruieren, sodass es mit unterschiedlichen Grundaufnahmen zwar auf alle Werkzeugmaschinen passte, aber individuell zu werkstückangepassten Komplettwerkzeugen zusammengesetzt werden konnte“, erinnert sich der ehemalige Wohlhaupter-Konstrukteur Dolde. „Wir ahnten damals, dass der Markt genau auf diese Lösung gewartet hat.“

So simpel und einleuchtend die Idee, so kompliziert war doch die Entwicklung dieses universellen Werkzeugsystems. Denn zum einen musste der Schaft, der die modulare Aufnahmestelle darstellt, so konstruiert sein, dass er in die Spindelaufnahme der Werkzeugmaschinen passt. Zum anderen waren gleichzeitig Zwischenmodule, Schrupp- und Schlichtwerkzeuge sowie dazu geeignete Plattenhalter vorzusehen, damit die Kombination der jeweiligen Komponenten möglichst variabel eine Lösung für alle Anforderungen der Bohrungsbearbeitung bieten konnte.

Die ursprüngliche Kernidee war allerdings, die Grundaufnahme in der Maschine zu belassen und nur das Schrupp- gegen ein Feindrehwerkzeug zu ersetzen. Damals gab es noch so gut wie keine Kettenmagazine in den Maschinen, und Werkzeuge mussten noch manuell gewechselt werden. Die Wechselgenauigkeit der Wohlhaupter MVS-Verbindungsstelle war damals schon so hoch, dass präziseste Bohrungen erzeugt werden konnten. Dazu wechselte man nach der Vorbearbeitung gleich das Feindrehwerkzeug über die modulare Verbindungsstelle ein und führte die Finish-Operation durch, ohne an der Maschine etwas zu verstellen oder die exakte Position zu verlassen.

Als der baden-württembergische Werkzeugspezialist 1973 MultiBore auf der Hannovermesse erstmals präsentierte, war das Interesse der Fachwelt sofort groß. Renommierte Maschinenhersteller wie Deckel oder Maho beschlossen schnell, ihre Bearbeitungszentren künftig mit den MultiBore-Systemwerkzeugen auszuliefern, denn „der UPA war ja sowieso schon Grundausstattung jeder Deckel-Maschine“, erwähnt Dieter Dolde nicht ohne Stolz. Der europaweite Vertriebspartner Hahn & Kolb, mit dem Wohlhaupter schon jahrzehntelang freundschaftlich kooperierte, freute sich über die zahlreichen hereinkommenden Bestellungen, als das modulare Werkzeugsystem lieferbar war. „MultiBore war ein Riesenerfolg für unser Unternehmen und machte Wohlhaupter weltweit führend in der Sparte der Ausdrehwerkzeuge“, erinnert sich Dolde.

Digitales Anzeigemodul für die Verstellwegmessung 3E Tech+ von Wohlhaupter
Digitales Anzeigemodul für die Verstellwegmessung 3E Tech+ von WohlhaupterBild: Wohlhaupter GmbH

MultiBore ist weiterhin zentrales Produkt

Noch heute ist MultiBore der zentrale Produktbereich im Portfolio der Süddeutschen – inzwischen in vielen unterschiedlichen Varianten, um die gestiegenen Anforderungen des Marktes zu bedienen. „Mit dem vielseitigen MultiBore-Werkzeugprogramm können die Anwender in der Fertigung schnell und präzise Komplettwerkzeuge zusammensetzen wie bei einer Carrera-Rennbahn – für die wir auch den Looping und die Steilwandkurve bieten“, so Frank-M. Wohlhaupter, Geschäftsführender Gesellschafter von Wohlhaupter. Die Grundaufnahmen als Verbindung zwischen der Werkzeugmaschine und den MultiBore-Modular-Bauteilen werden für alle Werkzeugmaschinen geliefert. Die MultiBore-Ausdrehwerkzeuge passen direkt in die Grundaufnahmen oder können mit Zwischenmodulen zu werkstückangepassten Komplettwerkzeugen ergänzt werden, und das von 0,4 bis 3.255mm im Durchmesser.

„Wir waren weltweit der erste Hersteller modularer Ausdrehwerkzeuge und entwickelten MultiBore zur perfekten Systemlösung immer weiter. Seit der Markteinführung ist MultiBore millionenfach bewährt im Einsatz“, erklärt Frank-M. Wohlhaupter. „Noch bis in die 1990er Jahre bedienten wir den Markt mit zwei Ausführungen an Feindrehwerkzeugen – ein universelles Feindrehwerkzeug für den Durchmesserbereich 3 bis 102mm und eine durchgängige Baureihe an Feindrehwerkzeugen für Durchmesser von 29 bis 205mm. Das war damals ausreichend und deckte alle Anforderungen der Werkzeugmaschinenhersteller und der Anwender ab.“

Hin zum digitalen Werkzeug

Dann brachte Wohlhaupter das erste selbstwuchtende Feindrehwerkzeug auf den Markt und kurz darauf die ersten Feindrehwerkzeuge aus Leichtmetall. Um die Jahrtausendwende machte das Unternehmen die ersten digitalen Feindrehwerkzeuge mit optoelektronischer Verstellwegmessung salonfähig. „Heute bieten wir mit MultiBore das weltweit größte Sortiment an Feindrehwerkzeugen. Unsere Systeme eignen sich für die Hochgeschwindigkeitsbearbeitung und werden auf Wunsch auch gewuchtet und ergänzt durch 3E Tech – unsere digitale Verstellwegmessung – geliefert.“

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