Der Einkauf: Warenströme steuern und koordinieren
Das ist der Job von Thomas Weber, Vice President Global Sourcing & Procurement von Rittal, und seinem Team. Die globalen Lieferengpässe haben die erfahrenen Beschaffungsexperten vor nie zuvor geahnte Herausforderungen gestellt: „Kaum hat der Tag angefangen, ploppen Fragen auf wie: Wo fehlt welches Material? Warum fehlt es? Und wie viel Zeit haben wir, um zu reagieren?“ Häufig mangelt es an Vorprodukten, die nicht geliefert werden. Eigentlich Kleinigkeiten. Sie werden aber dringend für die Weiterverarbeitung benötigt. Deutsche Kunden warten händeringend auf die fertigen Produkte. „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir viel intensiver in die Lieferkette aus der dritten und vierten Ebene eingreifen müssen“, erzählt Weber. Mit anderen Worten: Er und sein Team telefonieren täglich mehrmals mit Ansprechpartnern in Fernost, um ein Lieferproblem zu lösen. „Und das schaffen wir eigentlich immer.“
Die Grundlage: Innovation und Tradition kombinieren
In der Abteilung Global Sourcing & Procurement im Herborner Headquarter sind 46 Mitarbeitende tätig, die nationale und internationale Warenströme steuern, kontrollieren und koordinieren – von Stahlblech und Kunststoff oder Kartonagen bis zu Elektronik-Bauteilen. Das geschieht meist digital. Dabei kommen smarte Software-Tools zum Einsatz, die frühzeitig über drohende Lieferengpässe informieren. Ebenso wichtig sind der Kontakt und das persönliche Gespräch mit bewährten und vertrauensvollen Lieferanten. Diese Kombination aus Innovation und Tradition sei die Grundlage für die Lieferfähigkeit von Rittal, so Weber. Mit einem webbasierten Monitoring-Tool beispielsweise überwacht der Einkauf weltweit Lieferketten und Lieferanten und meldet sofort, falls Katastrophen wie ein Erdbeben, Brand in einer Chemiefabrik oder Schiffsunfälle eine Lieferung gefährden. Es signalisiert aber auch wirtschaftliche Probleme von Lieferpartnern. Dieses Frühwarnsystem schafft Transparenz bei den Lieferketten. Sobald eine News auf dem Bildschirm aufblinkt, können Weber und sein Team sofort reagieren. Sie greifen zum Telefonhörer oder hauen in die Tasten, um Bestellungen anderswo zu disponieren oder umzulenken.
Die Rohstoffmärkte: Trends erkennen
Mithilfe des Tools ist der Lieferstatus von mehr als 500 wichtigen Zulieferern und Produzenten immer im Blick. Dazu gehören Hersteller in Israel oder Bosnien und Herzegowina, aber auch Stahlwerke in Indien, Brasilien oder der Türkei, von denen Rittal jährlich Stahl im sechsstelligen Tonnen-Bereich bezieht „Die Situation auf dem Stahlmarkt ist nach der Hochphase des weltweiten Lockdowns wieder stabil“, erzählt Weber. „Aber selbst als es weltweit eng war, hatten wir weniger Probleme als andere, weil wir in der Branche als zuverlässiger und finanzstarker Abnehmer von großen Kontingenten bekannt sind. Das kann nicht jeder.“ Dagegen sei die Situation auf dem Weltmarkt für Kunststoffgranulate und elektronische Vorprodukte angespannt. „China kann momentan keine schwer entflammbaren Kunststoffadditive liefern.“ Gemeinsam mit den Experten aus Forschung & Entwicklung sowie dem Qualitätsmanagement von Rittal ist Weber daher auf der Suche nach Ersatzwerkstoffen und Alternativen, die den Qualitätsanforderungen von Rittal entsprechen. Die Software bietet noch einen Service: Sie generiert aus der Masse an Daten, die ihr zur Verfügung stehen, Trends und Prognosen für die weltweiten Rohstoffmärkte. Diese beobachtet Weber sehr intensiv: „Dieser Blick in die Zukunft ist extrem wichtig, um rechtzeitig Rohstoffe und Waren zu ordern, damit unsere Produktion immer stabil läuft und wir eine hohe Bevorratung garantieren können.“